ZEW-Umfrage: Aussichten profitieren von schwächerer Lageeinschätzung - Nord LB
Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat heute aktuelle Ergebnisse seiner monatlichen Konjunkturumfrage unter 184 Analysten und Analystinnen veröffentlicht. Unerwarteterweise hat sich die Stimmung der befragten Personen geringfügig aufgehellt: Die Erwartungen hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung der nächsten sechs Monate stiegen um 6,7 Punkte auf -34,4 Saldenpunkte. Ökonomen hatten im Voraus mit schwächeren Zahlen gerechnet, da auch der gestrige sentix–Konjunkturindex auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hindeutete. Kritisch zu betrachten ist allerdings das weiterhin niedrige Niveau des Umfragewertes, welches einen Teil der Bewegungen bei den Erwartungen erklären dürfte.
Die aktuelle Lage wird im laufenden Monat Mai in der Tat schlechter als im Vormonat bewertet. So sank die Beurteilung auf -36,5 Saldenpunkte, wenn auch etwas weniger stark als noch von März zu April. Wie ZEW-Präsident Achim Wambach hervorhebt, bleibt die konjunkturelle Entwicklung vorerst eingetrübt. Allerdings habe sich die Intensität der Abwärtstrends etwas verlangsamt. Unsicherheitsfaktoren wie der anhaltende Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der damit verbundene weltweite Kostenauftrieb für Unternehmen und Haushalte sowie die strikte Lockdown-Politik Chinas lassen vorerst nicht auf eine positive Entwicklung hoffen. Im Reich der Mitte ist die Erwartungskomponente am aktuellen Rand sogar knapp in positives Terrain zurückgekehrt, was vor allem die Folge der ausgeprägten Schwäche bei der Lageeinschätzung sein dürfte. Insofern besteht die Hoffnung auf eine baldige Besserung und mögliche Impulse für Europa aus Asien. Auch die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen bleibt weiterhin zentrales Thema. Obwohl das Ausmaß der Abhängigkeit bereits erheblich reduziert werden konnte, stellt ein möglicher Stopp der Gaslieferungen aus Russland ein erhebliches Rezessionsrisiko dar.
Nach der Umfrage geht die Mehrheit aller befragten Analysten und Analystinnen davon aus, dass die EZB im Juli ihren Kurs ändern wird und innerhalb der folgenden sechs Monate die Leitzinsen anheben wird. Die Inflationserwartungen für den Euroraum sanken auf -10,6 Punkte. Dazu wuchs der Erwartungsindex für die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der Eurozone auf -29,5 Saldenpunkte, was einen Anstieg um 9,2 Punkte markiert.
Die EZB kommt aufgrund der aktuellen Inflationsentwicklung und dem Preisdruck immer mehr unter Zugzwang. Jüngste Äußerungen von Mitgliedern des EZB-Rats deuten darauf hin, dass auf der Juli-Sitzung ein Kurswechsel beschlossen wird. Bis dahin bleibt abzuwarten, wie sich die Inflation entwickeln wird. Spannend wird dann auch der Blick auf den ifo-Geschäftsklimaindex sein. Nachdem er sich im April leicht erholt hatte, sollte nun darauf geachtet werden, wie sich die aktuellen Entwicklungen auf die Stimmung in den Unternehmen auswirken wird.
Fazit: Die Stimmung der vom ZEW befragten Finanzmarktexperten und –expertinnen hat sich im Mai etwas verbessert. Die Konjunkturerwartungen für die nächsten sechs Monate sind um 6,7 Punkte auf -34,3 Saldenpunkte angestiegen. Dennoch wird die aktuelle Lage erneut deutlich schlechter als im Vormonat bewertet, was insgesamt zu einem weiter pessimistischen Bild führt. Zu viele Unsicherheitsfaktoren wirken sich momentan auf die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands aus, als dass von einer Erholung gesprochen werden könnte. Der anhaltende Krieg in der Ukraine, neue Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in China sowie stark angestiegene Energiepreise halten die deutsche Wirtschaft weiter in Atem. Die EZB wird auf ihrer Sitzung im Juli vermutlich einen Kurswechsel verkünden, um der anhaltend hohen Inflation zu begegnen.
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