Klein, fein und sauber: Small & Mid Caps als Treiber von ESG - Warburg Invest
Europa nimmt bei der Etablierung von nachhaltigen Innovationen in allen gesellschaftlichen Bereichen eine globale Vorreiterrolle ein. Dies zeigt sich auch am Beispiel der nachhaltigen Geldanlagen. Laut Morningstar sind allein im vierten Quartal 2021 die Zuflüsse in nachhaltige Fonds global um 9 Prozent angestiegen. Rund 80 Prozent davon stammen aus Europa. Auch bei den gesamten Assets under Management und der Anzahl der nachhaltigen Fonds gibt Europa den Ton an: Hier betrugen die Anteile im vierten Quartal 2021 jeweils 81 bzw. 75 Prozent. Europa ist somit momentan der Treiber in Sachen nachhaltiger Geldanlage auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite.
Bei den meisten nachhaltigen Fonds und ETFs sind Large Caps überrepräsentiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ESG-Ratingagenturen hauptsächlich Berichte zur Corporate Social Responsibility (CSR) von Unternehmen heranziehen, um die Erfüllung von ökologischen, sozialen und Unternehmensführung-bezogenen Kriterien zu prüfen. Kleine Unternehmen haben oftmals nicht die Kapazitäten, eine eigene CSR-Abteilung zu unterhalten. Seit 2017 sind darüber hinaus nur große kapitalmarktorientierte Unternehmen durch die CSR-Richtlinie der Europäischen Union dazu verpflichtet, einen entsprechenden CSR-Bericht zu erstellen.
Doch nun kommt bald frischer Wind in das ESG-Anlageuniversum. Durch eine neue, ab 2024 in Kraft tretende EU-CSR-Richtlinie – die „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) – wird die nichtfinanzielle Berichterstattung auf eine neue Grundlage gestellt: u.a. sieht diese vor, dass kleine und mittelgroße Unternehmen bei der ESG-Berichtspflicht miteinbezogen werden. Kleinere, an einem regulierten EU-Markt gelistete Unternehmen werden erstmals ab 2026 dazu verpflichtet, einen ESG-Bericht zu liefern. Damit wird kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eine verlängerte Frist für die Implementierung einer ESG-Berichterstattung eingeräumt. Zudem sollen 2023 spezifische Nachhaltigkeitsstandards für KMU im Rahmen der CSRD definiert werden, sodass diese mehr Klarheit gewinnen dürften.
Eine Erweiterung des Portfolios von ESG-Fonds um europäische Small und Mid Caps birgt große Chancen. Denn viele Small und Mid Caps aus Europa bieten ideale Voraussetzungen, um in puncto Ökologie, Soziales oder Unternehmensführung vorbildlich zu sein. Neben einem ESG-Rating auf Basis einer nicht-finanziellen Berichtspflicht bietet ein aktiver Asset Management-Ansatz darüber hinaus die Chance, die ESG-Musterschüler aus Europa herauszufiltern.
ESG als Teil der Unternehmensstrategie
Entgegen der Behauptung, dass kleinere Unternehmen nicht über genügend Ressourcen verfügen, um eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erstellen, können gerade kleinere Unternehmen ESG einfacher in ihrer Geschäftsstrategie verankern. Aufgrund der übersichtlicheren Unternehmensstruktur kann die Nachhaltigkeitsstrategie direkt bei der Geschäftsführung angesiedelt und mit der bestehenden Unternehmensstrategie verschmolzen werden.
Kleineren Unternehmen kommen ihre generell schlankeren und oftmals effizienten Entscheidungsstrukturen zugute. Sei es die Umstellung auf Ökostrom, die Installation von Photovoltaikanlagen auf dem Firmendach oder die Umstellung auf Bio-Nahrung in der Kantine: Pläne zur Implementierung von ökologischer Nachhaltigkeit müssen nicht erst durch unzählige Instanzen geprüft und bewilligt werden, sondern können effektiv in die Tat umgesetzt werden.
Aufgrund der fokussierten Geschäftsmodelle von Small und Mid Caps lässt sich darüber hinaus für externe Analysten viel einfacher einschätzen, ob ein kleineres Unternehmen eine Lösung für die ESG-Herausforderungen unserer Zeit anbietet. Das „alte Europa“ ist bei genauerem Hinsehen Heimat vieler innovativer Unternehmen, die in Zukunftsbranchen tätig sind. So gibt es zum Beispiel Unternehmen aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft, die durch ihre Produkte mindestens die UN Sustainable Development Goals „Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung“ (Ziel Nr. 9) und „Nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen“ (Ziel Nr. 12) fördern. Zu diesen Innovatoren gehört u.a. Tomra ASA. Das norwegische Industrieunternehmen ermöglicht es mit seinen Leergutautomaten, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft von Plastikflaschen in der Gesellschaft zu etablieren. Zudem erhöhen Tomras hochmoderne Lebensmittelsortiermaschinen die Effizienz von Produktionsprozessen und tragen so zu einer starken Reduktion des CO2 Ausstoßes in der Lebensmittelindustrie in Form von fehlerhaft aussortierten Lebensmitteln bei.
Soziale Nachhaltigkeit: in kleineren Unternehmen oftmals Alltag
Auch soziale Kriterien werden in kleineren Unternehmen oftmals großgeschrieben. Die oft inhabergeführten Familienunternehmen, die schon seit Generationen in ihrer Region verwurzelt sind und trotzdem ein hohes Maß an Internationalität aufweisen, sehen ihre Mitarbeiter als wertvolle Ressource, die durch spezifische Anreize und ein gutes Arbeitsklima dazu motiviert werden sollen, einen aktiven Beitrag zum Betriebsergebnis zu liefern.
Aktiver Fondsmanagement-Ansatz als doppeltes Netz
Auch wenn die Ausweitung der ESG-Berichtspflicht auf kleinere Unternehmen begrüßenswert ist, kann sich ein aktiver Fondsmanagement-Ansatz als doppeltes Netz hinsichtlich der Prüfung von ESG-Standards erweisen. Ein Fondsmanagement-Team, das das Geschäftsmodell intensiv analysiert und engen Kontakt zum Management hält, kann gut einschätzen, wie ernst es ein Unternehmen aus dem Segment der Small und Mid Caps wirklich mit der Nachhaltigkeit meint und ob Realität und Darstellung auseinanderklaffen. Das ist etwas, was ein standardisierter ESG-Fragenkatalog von Ratingagenturen, der auf den Eigenangaben der Unternehmen beruht, nicht so ohne weiteres erfasst. Somit kann ein aktives Fondsmanagement Small und Mid Caps mit dem besten Potenzial und einer stringenten ESG-Strategie identifizieren.
Die Zukunft ist grün
Last but not least werden dank der Corporate Sustainability Reporting Directive endlich Small und Mid Caps auch bei ESG-Investoren in den Fokus rücken. Das Anlageuniversum wird sich für diese Investorengruppe schlagartig erweitern und die Small und Mid Caps können dadurch attraktive Investoren gewinnen. Denn schon jetzt haben viele nachhaltig investierende institutionelle Anleger einen gewissen Anlagenotstand und es bilden sich Klumpenrisiken heraus, da der Pool der Unternehmen, in die nach ESG-Kriterien investiert werden kann, einfach zu klein ist und den Mittelzufluss nicht mehr aufnehmen kann. In dieser kommenden Situation ist es nicht ausgeschlossen, dass gerade die Fonds profitieren, die frühzeitig das Thema Small und Mid Caps für sich entdeckt haben und schon heute Wert auf Nachhaltigkeit legen, denn sie sind schon investiert.
Autor: Zoltan Koch, Fondsmanager des Warburg Fonds Small&MidCaps Europa bei Warburg Invest
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