Inflation Eurozone: Rekordwert im Januar bringt EZB in Erklärungsnot! - Nord LB
Soeben hat die europäische Statistikbehörde Eurostat aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Verbraucherpreise im Euroraum veröffentlicht. Gemäß Schnellschätzung kam es im Berichtsmonat Januar nicht zu dem zuvor erwarteten Rückgang der HVPI-Jahresrate, der Inflationsdruck hat sogar noch einmal leicht zugenommen. Der HVPI Flash Estimate kletterte leicht auf 5,1% Y/Y, im Dezember hatte die Inflationsrate bei 5,0% Y/Y gelegen. Auch im Vormonatsvergleich ging es – in normalen Zeiten durchaus saisonunüblich – um 0,3% M/M aufwärts. Gegenüber den Schätzungen der zuvor von Bloomberg befragten Volkswirte und selbst gegenüber den ersten Meldungen aus einzelnen Mitgliedsländern stellt dies eine negative Überraschung dar.
Der maßgebliche Preistreiber waren im vergangenen Monat erneut die stark gestiegenen Energiepreise, die Jahresrate legte gegenüber Dezember von 25,9% Y/Y auf 28,6% Y/Y zu. Bei unverarbeiteten Lebensmitteln hat sich der Inflationsdruck ebenfalls auf nun 5,2% Y/Y erhöht. Unter Herausrechnung dieser volatilen Preiskomponenten ergibt sich zwar eine etwas niedrigere Kernrate (ex Energie, Lebensmittel, Alkohol, Tabak) von 2,3% nach 2,6% Y/Y im Dezember. Aber auch hier war eine ausgeprägterer Rückgang erwartet worden, aufgrund günstiger Basiseffekte wie dem Wegfall der Verzerrung durch die deutsche Mehrwertsteuer.
Der Inflationsdruck nimmt daher durchaus an Breite zu. Dies gilt auch bei Betrachtung der Preisentwicklung auf Länderebene. In keinem Land liegt die Inflationsrate aktuell noch unter 3,0% Y/Y. Frankreich meldete für Januar mit 3,3% Y/Y die niedrigste Jahresrate, während in Belgien (8,5%) und den Niederlanden (7,6%) massive Preisschübe die Verbraucher belasten. Im Baltikum liegt die HVPI-Jahresrate gar teilweise im zweistelligen Bereich.
Der aktuelle Inflationsdruck geht zum Teil auf vermutlich temporäre Effekte der Corona-Pandemie zurück, und auch gegen den Energiepreisschock am aktuellen Rand kann die EZB mit geldpolitischen Mitteln nichts ausrichten, das Risiko von Zweitrundeneffekten ist aber real. Zudem sind nun wichtige Argumente der Gruppe im EZB-Rat um Christine Lagarde und Philip Lane weggefallen, die in den vergangenen Monaten für das Narrativ des transitorischen Inflationsschubs ins Feld geführt worden waren. Anders als im Vorjahr dürfte sich auch durch die Aktualisierung des Wägungsschemas kein nennenswerter Auftrieb für die HVPI-Jahresrate im Januar ergeben haben.
Die morgen anstehende Sitzung des EZB-Rates rückt damit stärker in den Fokus als für eine erste Sitzung im Jahr üblich. Zwar ist kurzfristig ein Zinsschritt nicht zu erwarten, das Statement sowie die Äußerungen von Präsidentin Lagarde auf der anschließenden Pressekonferenz werden jedoch auf Änderungen im Wording abgeklopft werden. Und diese scheinen mehr als nötig: Die EZB wird darauf vorbereiten müssen, dass die nächsten Inflationsprojektionen im März erneut signifikant angehoben werden. Der Exitpfad könnte daher im März beim APP gestrafft werden, um eine frühere Zinserhöhung zu ermöglichen. Die Finanzmärkten preisen einen Zinsschritt für Ende 2022 ein.
Fazit: Der Inflationsdruck hat sich im Euroraum entgegen den Erwartungen zum Jahresauftakt 2022 weiter erhöht. Die HVPI-Jahresrate kletterte auf einen Rekordwert von 5,1%. Zwar ist dies vor allem auf den Energiepreisschock zurückzuführen, aber auch bei der Kernrate kam es nicht zu dem wegen einiger günstiger Basiseffekte eigentlich erwarteten deutlichen Rückprall. Bereits morgen könnte die EZB ihr Wording anpassen, da im März die Inflationsprojektion erneut massiv aufwärts revidiert werden muss. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt bereits in diesem Jahr hat zugenommen, der Exitpfad müsste dafür aber steiler ausgerichtet werden als bislang angekündigt. Nach dem PEPP-Ende im März rückt so bereits das Ende der APP-Nettoankäufe als nächster logischer Schritt in den Fokus!
Autor: Christian Lips, Chefvolkswirt