BIP: Deutsche Wirtschaft wegen Corona im IV. Quartal deutlich geschrumpft - Nord LB
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat heute Vormittag eine erste vorläufige Schätzung zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal 2021 veröffentlicht. Demnach ist die deutsche Wirtschaft coronabedingt zum Jahresende wieder vorübergehend aus dem Tritt gekommen. Das preis-, saison- und kalenderbereinigte BIP schrumpfte gegenüber dem Vorquartal um 0,7% Q/Q. Dies entspricht in etwa unseren Erwartungen, liegt allerdings doch deutlich unter der Konsensschätzung der zuvor von Bloomberg befragten Volkswirte und Analysten.
Bereits vor zwei Wochen hatte Destatis im Rahmen einer Pressekonferenz eine erste Schätzung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im letzten Jahr veröffentlicht. Die erste Indikation eines Rückgangs der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal wurde durch die heutige Schnellschätzung somit bestätigt. Dennoch ergibt sich für das Gesamtjahr 2021 auf Basis der nun etwas besseren Datenlage rechnerisch eine etwas stärkere Expansion als vor zwei Wochen gemeldet. Die BIP-Wachstumsrate für 2021 wurde leicht von 2,7% auf 2,8% aufwärts revidiert. Hierzu hat auch eine Aufwärtsrevision für die Vorquartale – insbesondere im ersten Halbjahr – beigetragen.
Der Rückgang der Wirtschaftsleistung war abzusehen. Die Bremseffekte durch die vierten Coronawelle und die erneuten Verschärfungen der staatlichen Schutzmaßnahmen waren im vierten Quartal zu stark und konterkarierten die moderate Erholung in der Industrie. Zwar bleiben die Belastungen in der Industrie durch Knappheiten sehr hoch, hinzu kommt der Energiepreisschub der vergangenen Monate. Gegenüber der sehr stark gedrosselten Produktion im Sommer hat das Verarbeitende Gewerbe im Herbst aber offensichtlich zumindest etwas Boden wieder gut machen können.
Die coronabedingten Belastungen spiegeln sich auch in der Entwicklung der BIP-Komponenten wider. Zwar wurden wie üblich heute noch keine Details der Verwendungsseite durch Destatis veröffentlicht. Nach Angaben der Statistiker gingen aber vor allem die privaten Konsumausgaben im vierten Quartal wieder deutlich zurück und trugen negativ zum BIP-Wachstum bei. Erneut spürten vor allem der Einzelhandel und der Dienstleistungssektor die Belastungen durch Corona.
Durch die Omikronwelle wird die deutsche Wirtschaftsleistung auch in Q1 noch einmal gebremst. Ein erneuter Rückgang des realen BIP ist möglich, womit die Definition einer technischen Rezession erfüllt wäre. Ein Einbruch der Wirtschaftsleistung wie Anfang 2021 zeichnet sich aber nicht ab, zudem ist spätestens ab dem Frühjahr mit einer kräftigen konjunkturellen Belebung zu rechnen. Hierauf deuten auch die teils deutlich verbesserten Konjunktur- und Geschäftserwartungen der Unternehmen und Finanzmarktexperten hin. Das Aufschwungsszenario für 2022 bleibt somit intakt. Für 2022 erwarten wir ein BIP-Wachstum von 3,5%, das Vorkrisenniveau wird Mitte des Jahres erreicht. Die Erholung wird somit zwar erneut etwas aufgeschoben, sie ist aber nicht aufgehoben.
Fazit: Die Erholung der deutschen Wirtschaft ist coronabedingt zum Jahresende erneut unterbrochen worden. Das reale Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im vierten Quartal um 0,7% gegenüber dem Vorquartal, die Jahresrate reduzierte sich auf 1,4% Y/Y. Die vierte Coronawelle und die verschärften Schutzmaßnahmen haben einen kräftigen Rückgang des privaten Konsums verursacht, vor allem Dienstleister, Gastgewerbe und Handel wurden hierdurch belastet. Die Industrie hingegen dürfte das Tal im Sommer durchschritten haben, anhaltende Liefer- und Materialengpässe dämpfen jedoch weiterhin das Produktionstempo. Die gute Nachricht ist, dass die Nachfrage weiterhin sehr hoch ist und mittelfristig Potenzial für kräftige Aufholeffekte bietet. Das Risiko einer technischen Rezession im Winterhalbjahr ist wegen der Omikronwelle zwar erhöht, spätestens im Frühjahr ist aber mit einer Rückkehr auf den Wachstumspfad zu rechnen. Für 2022 erwarten wir ein BIP-Wachstum von 3,5%.
Autor: Christian Lips, Chefvolkswirt