Deutsche Wirtschaft wächst 2021 um 2,7% – Engpässe und Corona bremsen - Nord LB
Heute Vormittag hat das Statistische Bundesamt im Rahmen einer Pressekonferenz eine erste Schätzung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im Jahr 2021 veröffentlicht. Demnach konnte die deutsche Wirtschaft erwartungsgemäß einen Gutteil des vorherigen coronabedingten massiven Konjunktureinbruchs aufholen. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte um 2,7% gegenüber dem Vorjahr zu, nach -4,6% im Jahr 2020.
Die wirtschaftliche Entwicklung stand im Jahr 2021 ganz im Zeichen von Auf- und Nachholeffekten im Anschluss an den Coronaschock 2020. Die reale Wertschöpfung konnte in beinahe allen Wirtschaftsbereichen zulegen. Der Zuwachs fiel im Verarbeitenden Gewerbe mit 4,4% recht kräftig aus. Hier wäre sogar ein höheres Wachstum möglich gewesen, allerdings wirkten Material- und Lieferengpässe und steigende Energiepreise wie Sand im Getriebe der Industriekonjunktur.
Auch die meisten Dienstleistungsbereiche verzeichneten kräftige Zuwächse, während im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe aufgrund anhaltender Corona-Belastungen die Erholung relativ schwach ausfiel (+3,0%). Hier besteht ein hohes Aufholpotenzial, sobald sich die pandemische Situation deutlich verbessern sollte. Im Bausektor ging die Wirtschaftsleistung leicht zurück (-0,4%), 2020 gab es hier aber auch keinen coronabedingten Einbruch. Trotz der Zuwächse ist in den meisten Sektoren ebenso wie bei der gesamten Wirtschaftsleistung das Vorkrisenniveau bis zum Jahresende noch nicht wieder erreicht. Deutschland hinkt somit der Entwicklung in der EU hinterher.
Der private Konsum stagnierte auf dem Niveau von 2020, vor allem wegen der coronabedingt weiterhin eingeschränkten Konsummöglichkeiten. Dies unterstreicht die im historischen Vergleich auch im Jahr 2021 deutlich erhöhte Sparquote, trotz eines leichten Rückgangs auf 15,0%. Die Investitionen wurden hingegen moderat ausgeweitet (Ausrüstungen +3,2%, Bau +0,5%). Im Außenhandel kam es zu einer kräftigen Erholung, sowohl Exporte (+9,4%) als auch Importe (+8,6%) legten deutlich zu. Wichtiger Wachstumstreiber war auch 2021 der öffentliche Konsum (+3,4%). Die fiskalischen Maßnahmen zur Krisenabschirmung spiegelten sich erneut in einer deutlichen Ausweitung des gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits wider, das Defizit lag wie im Vorjahr bei 4,3% des Bruttoinlandsprodukts. Die öffentlichen Finanzen wurden in Deutschland demnach weniger von der Coronakrise in Mitleidenschaft gezogen als in vielen anderen entwickelten Volkswirtschaften.
Für die heute gemeldeten Zahlen lagen noch nicht alle Daten vor, für den Dezember musste auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Die Statistiker gehen von einer Schrumpfung im vierten Quartal aus, die Effekte der vierten Coronawelle konterkarieren die moderate Erholung in der Industrie. Im Schlussquartal wurde der konjunkturelle Aufholprozess wieder unterbrochen und im Winterhalbjahr droht angesichts von Omikron und Energiepreisschub eine technische Rezession. Dennoch wird sich die Erholung im Jahr 2022 fortsetzen, wir rechnen mit einem BIP-Wachstum von rund 3,5%. Da das BIP in der Eurozone erneut kräftiger expandieren dürfte, ist auch konjunkturseitig eine Abkehr der EZB vom extrem expansiven geldpolitischen Kurs gerechtfertigt.
Fazit: Die deutsche Wirtschaft hat sich 2021 von dem Corona-Schock des Vorjahres erholt. Das reale Bruttoinlandsprodukt legte gegenüber dem Vorjahr um 2,7% zu. Die Corona-Pandemie sowie hartnäckige Liefer- und Materialengpässe verhinderten jedoch eine stärkere Expansion. Die deutsche Wirtschaft sowie die meisten Sektoren haben daher bis zum Jahreswechsel das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Im vierten Quartal kam es sogar wegen der vierten Corona-Welle zu einem neuerlichen BIP-Rückgang, womit das Risiko einer technischen Rezession im Winterhalbjahr besteht. Im Anschluss dürften jedoch erneut Auf- und Nachholeffekte die Konjunkturdynamik anschieben, für 2022 prognostizieren wir ein BIP-Wachstum von 3,5%. Die EZB sollte daher wegen des anhaltend hohen Inflationsdrucks die geldpolitische Wende zügiger und konsequenter vollziehen.