Wachstumsstark, innovativ, flexibel - Börse München
Die „Ampel steht“, wie sich der Kanzler in Spe ausdrückte und die Süddeutsche Zeitung titelte. Das tut eine Ampel ja meistens und noch öfter hat man das Gefühl, dass sie permanent auf Rot steht. Auf dunkelrot steht die Klinikampel, Corona schockt uns täglich mit neuen Allzeithochs, die wir lieber beim DAX sehen würden, der jedoch wegen des neuen Variantenreichtums von Corona erst einmal in die Knie geht. „Corona-Impfpflicht ist kein Tabu mehr“ schreibt das Handelsblatt, die Diskussionen mit Impfunwilligen nehmen an Schärfe zu. Insgesamt passt vielleicht am besten die Headline von Die Welt vom Donnerstag zur Woche: „Aufbruch ins Ungewisse“, was aber, siehe unten, auf den Koalitionsvertrag gemünzt war.
Rampenlicht
„Best of prime“ heißt es bei Börse online kurz und bündig auf dem Titel, und weiter: „Wachstumsstark, innovativ, flexibel: Acht Aktien, die Sie jetzt haben sollten“. Uns fällt auf, dass die Zahl „acht“ des Öfteren fällt, wenn sich Finanztitel um interessante Aktien kümmern. Ob es damit zu tun hat, dass man sie auf zwei Doppelseiten praktisch unterbringt? Im Heft werden acht Nebenwerte (auf zwei Doppelseiten) abgehandelt, die „zu Recht im Rampenlicht“ stehen. Rot sieht hingegen Focus Money, aber nicht wegen der Ampel und nicht wegen Corona, sondern: „Die große Inflation ist da!“ mahnt das Magazin. Dazu lugt über den unteren Bildrand, mit gefalteten Händen, Hans-Werner Sinn! Der Text dazu lautet: „Rechnet ab mit Politik und EZB“. Auf die grafische Idee von Jetons in Form von Corona-Viren muss man erst einmal kommen, sie werden auf der Titelseite der WirtschaftsWoche vor grünem Hintergrund gestapelt, während eine Hand danach langen will, und mit dem Text versehen: „Wer gewinnt den Corona-Poker“, auch wenn wir bei grün und Jetons eher an Roulette gedacht hatten.
Armageddon
177 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Trotzdem scheinen ihn viele rasch gelesen und noch schneller interpretiert zu haben, denn die Zustimmungen und Ablehnungen folgten auf dem Fuße. „Das sagen Wirtschaft und Verbände zum Koalitionsvertrag“ schrieb WirtschaftsWoche online und fügte gleich ein Resümee hinzu: „Für einen großen Wurf reicht es nicht“. „Dokument des Muts“, titelt hingegen das Handelsblatt, gar „ein revolutionäres Programm“ nannte es die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Mit der Zahl Sieben scheinen es die Koalitionäre besonders gut zu meinen, wie die Süddeutsche Zeitung anhand des Bildes, das über die Ticker ging und das die sieben zur Pressekonferenz Schreitenden darstellt, verdeutlicht. Und stellt diese Ansicht nicht nur mit den Westernhelden aus dem gleichnamigen Film gegenüber, sondern auch mit den Weltenrettern aus Armageddon in ihren roten Pilotenanzügen, auf die das rote Jackett von Saskia Esken deutet. Die Parteienvertreter befänden sich, so Gerhard Matzig in „Der Weg nach Sacramento“, „im High-Noon-Wiegeschritt“, wie er nur „Hollywood oder eben der Berliner Politik einfallen kann“. So oder so kommen spannende vier Jahre auf uns zu, ob Revolution oder Armageddon.
Käse
Da gehen vegane Unternehmen an die Börse und vegetarische Lebensmittel sollen der Renner sein. Und dann das: Die Welt berichtet, „Zypern sitzt auf Berg von Halloumi“. Die stark verkürzte Überschrift könnte missinterpretiert werden, zumindest passierte uns das, dass ein Mann (oder Frau) mit dem eher seltenen Namen Zypern auf einem Berg sitzt, der einem Mann (oder Frau) namens Halloumi gehört, warum auch immer er da so sitzen mag und es in die Zeitung geschafft hat. Selbstverständlich geht es aber um Grillkäse, Hauptausfuhrprodukt der Insel Zypern, der wegen der Pandemie an Beliebtheit eingebüßt habe. Dabei wäre Grillen im Freien doch eine Alternative zum Restaurantbesuch, und dann auch noch vegetarisch?
Goethe
Die große Weltliteratur spielt in der Wirtschafts- und Finanzpresse eine eher untergeordnete Rolle, leider. Doch in Zeiten der Pandemie und des Homeoffice ist alles anders. Und so schreibt das Manager Magazin: „Zurück ins Homeoffice: Was wir von Goethe, Schiller und Thomas Mann lernen können“. Ja was? Gutes Schreiben? Nein, einen strukturierten Tagesablauf trotz Heimarbeit und eine absolut geräuschfreie Möglichkeit der Konzentration. In einer Vier-Zimmer-Wohnung mit zwei Kindern, gerne noch im Homeschooling, ist das allerdings schwieriger umzusetzen als im Haus am Frauenplan in Weimar, so unsere Erfahrung. Weiter erfahren wir, dass Goethe der Meinung war, dass Rauchen dumm mache, während Schiller den Geruch verfaulter Äpfel liebte, den er durch seinen blauen Dunst zu überdecken wusste. Wir sehnen uns, das geben wir zu, nach jenen Dichterinnen und Dichtern, die am besten im Kaffeehaus schreiben können und würden ihnen gerne dabei zusehen…
Autor der Presseschau: Ulrich Kirstein, Bayerische Börse AG