Euroland: Kräftiges BIP-Wachstum in Q3, Inflation springt auf Rekordwert - Nord LB
Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat heute ihre erste Schätzung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone im dritten Quartal veröffentlicht. Demnach setzte sich der dynamische Aufholprozess aus dem Frühjahr fort, die wirtschaftliche Aktivität konnte dank niedrigerer Infektionszahlen und geringen coronabedingten Restriktionen kräftig gesteigert werden. Das preis- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt ist im Vergleich zum Vorquartal um 2,2% gewachsen. Die Jahresrate verringerte sich wegen eines Basiseffekts deutlich von 14,2% Y/Y auf 3,7% Y/Y.
Wie schon im Frühjahr war der private Konsum der wichtigste Wachstumstreiber. Die geringen Corona-Belastungen haben sich in einer Zunahme von Reiseaktivitäten sowie einer deutlichen höheren Nachfrage nach Dienstleistungen und Konsumgütern niedergeschlagen. In allen großen Volkswirtschaften expandierte die Wirtschaftsleistung im Sommer kräftig, aufgrund eines Nachholeffekts weist Frankreich mit 3,0% eine deutlich überdurchschnittliche Wachstumsrate aus.
In Deutschland legte die Wirtschaftsleistung um 1,8% Q/Q zu, auf das Gesamtjahr gerechnet fällt das BIP-Wachstum in 2021 mit gut 2,5% jedoch nur halb so stark aus wie in der Eurozone. Zudem wird sich das hohe Expansionstempo der letzten beiden Quartale nicht halten lassen. Besonders Deutschland wird wegen seines hohen industriellen Wertschöpfungsanteils von Knappheiten und dem Energiepreisschub ein weiteres Mal im Aufholprozess ausgebremst. In anderen Regionen, in denen der Aufholprozess früher startete, ist bereits jetzt eine gewisse Wachstumsmoderation zu erkennen. Auch die meisten Frühindikatoren deuten eine geringere Dynamik in Deutschland im Winterhalbjahr an.
Sobald die Belastungen durch die angebotsseitigen Restriktionen abnehmen, sind jedoch Nachholeffekte und somit eine Rückkehr zu einer höheren Wachstumsdynamik wahrscheinlich. Das Konjunkturbild, wonach sich 2022 die Erholung von dem coronabedingten Einbruch fortsetzt, bleibt somit grundsätzlich intakt. Wir erwarten für Deutschland im Jahr 2022 ein BIP-Wachstum von über 4%, ähnlich kräftig dürfte die wirtschaftliche Expasion im gemeinsamen Währungsraum ausfallen.
Die Konjunktursorgen der EZB dürften begrenzt sein, der Fokus sollte vielmehr auf der Inflationsentwicklung liegen. Im Oktober ist die Inflationsrate im Euroraum gemäß Schnellschätzung auf 4,1% gesprungen, der höchste Wert seit dem Bestehen des gemeinsamen Währungsraums. Nur im Juli 2008 lag die Preissteigerungsrate schon einmal so hoch. Sicher ist dies vor allem auf die hohen Energiepreise und einige Sondereffekte zurückzuführen, nach einem zwischenzeitlich weiteren Anstieg ist zum Jahreswechsel eine Ermäßigung absehbar und Panik somit nicht angebracht. Dennoch hat die gestrige EZB-Pressekonferenz belegt, dass die EZB beim Thema Inflation inzwischen um die Deutungshoheit kämpfen muss. Präsidentin Lagarde sieht Zinserhöhungserwartungen an den Märkten zwar im Widerspruch zur Forward Guidance der Notenbank. Die Entwicklung der nächsten Monate wird aber erst zeigen, ob die Märkte ihre Zinserwartungen korrigieren müssen oder nicht doch der größere Anpassungsbedarf auf Seiten der Forward Guidance der EZB liegt.
Fazit: Der wirtschaftliche Aufholprozess in der Eurozone hat sich im Sommer wie erwartet fortgesetzt, das BIP-Wachstum fiel mit 2,2% Q/Q erneut sehr kräftig aus. Die Anzeichen für eine Wachstumsmoderation haben zwar zugenommen, grundsätzlich bleibt das Konjunkturbild einer fortgesetzten Erholung aber intakt. Während die Konjunkturrisiken begrenzt sind, dürfte die Inflation der EZB mehr Sorgenfalten bereiten. Im Oktober machte die Inflationsrate einen Sprung auf den Rekordwert von 4,1% Y/Y. Zwar kann die EZB gegen die Ursachen der aktuell hohen Preissteigerungsrate (Energie, Sonder- bzw. Basiseffekte) nichts ausrichten. Gleichwohl muss sie sehr wachsam auf mögliche Zweitrundeneffekte achten. Die gestrigen Äußerungen von EZB-Präsidentin Lagarde haben eines eindrucksvoll gezeigt: Der Kampf um die Deutungshoheit der aktuellen Inflationsentwicklung ist in vollem Gange.