Anleger blicken auf Evergrande-Entwicklungen und US-Arbeitsmarktdaten - Börse München
Angst vor den Notenbanken: Die deutschen Aktienmärkte haben in der vergangenen Woche spürbare Verluste eingefahren. Nachdem zu Wochenbeginn der Ausgang der Bundestagswahl, der eine von vielen Investoren gefürchtete rot-grüne-rote Regierungskoalition unmöglich gemacht hat, noch für gute Laune unter den Anlegern gesorgt hatte, ging es deutlich abwärts. Zwischenzeitliche Erholungsphasen konnten eine negative Wochenbilanz nicht verhindern. Ursache der eingetrübten Marktstimmung waren wachsende Befürchtungen, die großen westlichen Notenbanken könnten ihre extrem lockere Geldpolitik in Kürze straffen. Genährt wurden diese Sorgen von steigenden Inflationszahlen unter anderem in Deutschland. Getrieben von hohen Energiepreisen hatte die Teuerung hier im September erstmals seit fast 28 Jahren wieder die Vier-Prozent-Marke überstiegen, wobei sich auch die gesenkte Mehrwertsteuer im Vorjahr auswirkte. Im Euroraum war die Inflation im September auf den höchsten Stand seit 13 Jahren geklettert. Die anhaltenden Schwierigkeiten bei den weltweiten Lieferketten sowie die auch dadurch beeinträchtigte Wachstumsdynamik belasteten die Märkte zusätzlich.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor im Wochenvergleich 2,4 Prozent auf 15.156,44 Punkten. Für das gesamte dritte Quartal stand ein Minus von rund 1,7 Prozent zu Buche, womit es seit dem Corona-Crash im Frühjahr des vergangenen Jahres das erste Quartal mit einem negativen Saldo war. Der MDax sackte im Wochenvergleich um 3,2 Prozent ab auf 34.154,15 Zähler. Der TecDax fiel um 5,9 Prozent auf 3.672,55 Punkte. Einerseits wären viele Tech-Unternehmen besonders von höheren Finanzierungskosten betroffen, andererseits machte sich unter den Anlegern Skepsis breit, ob die in den vergangenen Monaten stark angezogenen Bewertungen gerechtfertigt seien. Der m:access All-Share büßte 2,4 Prozent auf 2.856,16 Zähler ein.
Gegen den Trend deutlich fester präsentierten sich in der vergangenen Woche Automobiltitel, die unter anderem von einer Umschichtung in Werte der sogenannten „Old Economy“ profitierten. BMW wies ein Wochenplus von 5,0 Prozent aus, hier gab eine angehobene Jahresprognose zusätzlichen Schub. Titel von Daimler legten im Wochenverlauf um 4,95 Prozent zu, Volkswagen um immerhin 2,1 Prozent. Deutlich überdurchschnittlich verloren dagegen Titel bisheriger „Corona-Gewinner“ wie Sartorius (- 12,98 Prozent), Delivery Hero (- 9,4 Prozent) oder HelloFresh (- 8,9 Prozent).
An den deutschen Anleihemärkten hat sich in der vergangenen Woche keine klare Tendenz gezeigt, insgesamt sind die Kurse aber leicht zurückgegangen. Vor allem die Spekulationen über eine weniger lockere Geldpolitik der großen westlichen Notenbanken, namentlich der der USA und Großbritanniens, belasteten die Bundespapiere. Die Rendite der marktbestimmenden zehnjährigen Bundesanleihe erhöhte sich im Wochenvergleich von -0,23 auf -0,22 Prozent. Die Umlaufrendite legte von -0,32 auf -0,31 Prozent zu.
Die US-Börsen haben in der vergangenen Handelswoche nachgegeben. Zu den Sorgen vor einer strafferen Geldpolitik und einer sich abschwächenden Konjunktur kamen hier noch die wegen des Haushaltsstreits in den USA hinzu. Zu Wochenausklang lieferten allerdings Hoffnungen auf ein Medikament gegen Covid-19 merklichen Auftrieb und reduzierten die Wochenverluste. Der Dow-Jones-Index sank im Wochenvergleich dennoch um 1,4 Prozent auf 34.326,46 Punkte. Der breiter gefasste S&P-500-Index ging um 2,2 Prozent auf 4.357,04 Zähler zurück. Der technologielastige Nasdaq-100-Index gab 3,5 Prozent ab auf 14.791,87 Punkte.
Ausblick
Nach den Turbulenzen der vergangenen Woche dürfte es auch in den kommenden Tagen an den deutschen Aktienbörsen nicht unbedingt ruhiger werden. Das Damoklesschwert einer strafferen Geldpolitik, Sorgen über Lieferengpässe, deutlich gestiegene Energiepreise und daraus resultierend die weiter Konjunkturentwicklung könnten die Kauflaune der Anleger erst einmal weiter trüben. Allerdings bleibe nach Ansicht von Analysten in diesem Szenario abzuwarten, in welchem Umfang sogenannte „Schnäppchenjäger“ bei Rücksetzern in den Markt einstiegen.
Für wichtige Impulse dürften in der aktuellen Woche Konjunkturdaten sorgen. Die meiste Beachtung dürfte dabei der US-Arbeitsmarktbericht am Freitag erfahren. Dieser dürfte einerseits auf den aktuellen Stand der US-Wirtschaft hin analysiert werden, andererseits und vor allem dürfte aber seine mögliche Bedeutung für das weitere Vorgehen der US-Notenbank Fed im Vordergrund stehen. Sollte der Bericht wie von vielen Experten prognostiziert positiv ausfallen, so dürfte das der Annahme, die Fed werde zu einer Rückführung ihrer Anleihekäufe übergehen, Vorschub geben.
In diesem Falle bleibt abzuwarten, inwieweit eine solche Spekulation in den aktuellen Kursen bereits „eingepreist“ ist. Zudem könnte ein solches Ergebnis Finanzwerte antreiben, die von einer weniger lockeren Geldpolitik profitieren könnten.
Der zuletzt zu beobachtende Umstieg vieler Anleger auf Old-Economy-Werte könnte anhalten, schließlich könnte die Geschäftstätigkeit der entsprechenden Unternehmen nach einer Beendigung der aktuellen Lieferkettenproblematik wieder deutlich an Fahrt aufnehmen, so Beobachter.
Kaum Impulse dürften in den kommenden Tagen aus China kommen, hier ruht das wirtschaftliche Leben in der auf den Nationalfeiertag folgenden Woche. Dennoch dürften Marktteilnehmer auf Nachrichten aus dem Land blicken, auch in Bezug auf den erheblich angeschlagenen Immobilienriesen Evergrande.
Ausgewählte wichtige Termine der Woche
Montag, 04.10.: Werksaufträge in den USA
Dienstag, 05.10.: Dienstleistungsindizes für Deutschland und die Eurozone; Erzeugerpreise in der Eurozone; ISM-Index für das nicht-verarbeitende Gewerbe in den USA; Markit PMI Gesamtindex (USA); Handelsbilanz der USA
Mittwoch, 06.10.: Werksaufträge in Deutschland; Einzelhandelsumsätze in der Eurozone; ADP-Arbeitsmarktbericht (USA)
Donnerstag, 07.10.: Industrieproduktion in Deutschland; Verbraucherkredite in den USA
Freitag, 08.10.: Handelsbilanz Deutschlands; US-Arbeitsmarktbericht; Caixin Dienstleistungsindex (China)
Autor: Dr. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG