ZEW-Umfrage: Knappheiten und Delta dämpfen Konjunkturerwartungen - Nord LB
Heute Vormittag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aktuelle Ergebnisse seiner monatlichen Konjunkturumfrage unter Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im September sind demnach die Konjunkturerwartungen der Finanzmarktexperten ein weiteres Mal deutlich gesunken und liegen nun bei 26,5 Saldenpunkten. Zwar bleiben die Konjunkturoptimisten weiter in der Überzahl, allerdings notiert dieser wichtige Frühindikator nach den Rückgängen der vergangenen Monate nun „nur“ noch im Bereich des langfristigen Mittelwerts.
Allerdings muss der Rücksetzer bei den Erwartungen im Zusammenhang mit der erneut etwas positiveren Beurteilung der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Situation interpretiert werden. Die Lagekomponente kletterte von 29,3 auf 31,9 Saldenpunkte und markiert damit den höchsten Stand seit Ende 2018. Gleichwohl unterstreichen die nur noch kleinen Verbesserungen der letzten Monate, dass der ursprünglich erwartete rasante Konjunkturaufschwung im Sommer schwächer ausfallen dürfte als ursprünglich erhofft. Das Bild der gestern gemeldeten sentix-Daten wird bestätigt.
Vor allem Knappheiten bei Halbleitern dämpfen weiterhin erheblich die Fahrzeugproduktion, wie die enttäuschenden Zahlen des Branchenverbands VDA für den Berichtsmonat August unterstreichen. Aber auch bei weiteren Vorleistungen und Rohstoffen hält das Knappheitsproblem an und belastet die Unternehmen in der Industrie und im Bausektor, was sich inzwischen auch in teils erheblich gesteigerten Erzeugerpreisen niederschlägt. Die Unsicherheit über die Auswirkungen der Deltavariante, vor allem mit Blick auf den kommenden Winter, dürfte ihr Übriges getan haben. Die Euphorie des letzten Frühjahrs ist jedenfalls inzwischen einer nüchterneren Betrachtung gewichen.
In diesem Sommer und sehr wahrscheinlich auch noch im Herbst dürften die angebotsseitigen Restriktionen die wirtschaftliche Aktivität dämpfen. Es bestätigt sich damit, dass die Lieferprobleme derzeit wie Sand im Getriebe der deutschen Konjunktur wirken. Zwar profitiert vor allem der Dienstleistungssektor im dritten Quartal noch einmal von dem durchgehend hohen Offenheitsgrad der Wirtschaft infolge der im Sommer relativ niedrigen Coronabelastungen. Wir haben unsere Erwartungen für das Wachstum im gesamten zweiten Halbjahr dennoch reduziert und rechnen für 2021 nun nur noch mit einem BIP-Wachstum von 3,0% (Prognose 2022: 4,4%).
Grundsätzlich bleiben wir aber auf mittlere Sicht optimistisch gestimmt. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass sich mit einem sukzessiven Überwinden der Knappheitsprobleme stärkere Nachholeffekte einstellen dürften. Immerhin entwickelt sich die Nachfrage weiterhin sehr robust, wie auch die gestern gemeldeten Julidaten zur Entwicklung der Auftragseingänge noch einmal unterstrichen haben.
Durch die zuletzt tendenziell etwas schwächer ausgefallenen Frühindikatoren dürften jüngste Taperingspekulationen wieder abebben. Die EZB wird am Donnerstag trotz des hohen Wachstums in der Eurozone erneut die anhaltend hohen Risiken für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung betonen. Zwar wird sie erneut ihre Inflationsprojektion nach oben anpassen müssen, grundsätzliche Aussagen zur Zukunft des PEPP sind auf dieser Sitzung jedoch noch nicht zu erwarten.
Fazit: Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind im September erneut gesunken, mit 26,5 Saldenpunkten bleiben die Optimisten jedoch in der Überzahl. Die aktuelle Lage wird nur leicht verbessert gesehen, Knappheitsprobleme wirken derzeit wie Sand im Getriebe von Industrie und Bau. Unsicherheiten über die Auswirkungen von Delta im kommenden Winter haben sicher ihr Übriges getan. Somit wird das Wachstum in Q3 vor allem von den Öffnungsschritten im Frühjahr zehren, aber eben geringer ausfallen als ursprünglich erhofft. Für das Gesamtjahr haben wir unsere BIP-Prognose auf 3,0% reduziert.