Ein Blick in die Zukunft der Logistik und Lieferketten nach Covid-19 - iBanFirst
Noch vor genau einem Jahr kostete der Transport eines 40-Fuß-Seecontainers auf der Handelsroute von China nach Europa (von Shanghai nach Rotterdam) durchschnittlich $1.650. Heute kostet es laut der Referenzseite Drewry fast $11.196, um die gleichen Waren zu transportieren. Der Preis hat sich also in einem Jahr fast versiebenfacht! Anfänglich betraf der Anstieg der Transportkosten vor allem Waren mit geringer Wertschöpfung, bei denen die Gewinnmargen geringer sind (z. B. Kühlschränke). Mittlerweile wird es aber auch unerschwinglich, Güter mit hoher Wertschöpfung zu transportieren, da die Kosten für den Seetransport so stark gestiegen sind. Es ist sogar üblich, dass der Preis auf bis zu 20.000 Dollar für Container ansteigt, während im Sommer 2020 noch weniger als 3.000 Dollar zu zahlen waren.
Wie lässt sich der sprunghafte Anstieg der Kosten im Seehandel erklären?
Der Anstieg der Kosten geht auf den so genannten Bullwhip-Effekt zurück. Dieser beschreibt, wie sich Schwankungen in der Nachfrage mit zunehmender Stärke auf die Lieferkette auswirken, je weiter sie vom Endverbraucher entfernt sind. In diesem Fall reduzierten die Unternehmen während der Pandemie ihre Bestellungen und die Zulieferer taten dasselbe, allerdings in größerem Ausmaß (weil sie davon ausgingen, dass auch zukünftige Bestellungen reduziert werden würden). Als sich die Wirtschaft im letzten Frühjahr in Europa und den USA zu erholen begann, gab es nicht genügend Produktionskapazitäten, um die stark gestiegene Nachfrage zu bedienen. Hinzu kamen noch nie dagewesene Staus in den Häfen und akute Transportprobleme (man denke nur an die vorübergehende Blockade des Suezkanals Ende März 2021 und die Tatsache, dass viele Container nicht dort waren, wo sie für den Warentransport benötigt wurden).
Wie lange werden die Unterbrechungen andauern?
Experten sind sich einig, dass die Spannungen in den globalen Lieferketten noch lange nicht vorbei sind. Der Bullwhip-Effekt ist nach wie vor vorhanden und es ist auch nicht auszuschließen, dass die Pandemie in Zukunft zu weiteren Störungen führen wird. So beschloss China im Juni 2021 das drittgrößte Containerterminal der Welt in Shenzhen aufgrund eines Covid-Ausbruches vorübergehend zu schließen, was zu wochenlangen Verzögerungen bei den Lieferungen und einer weiteren Verteuerung des Transports nach Europa und in die USA führte. Auch wenn die Pandemie durch Impfbemühungen schließlich eingedämmt wird, ist eine Rückkehr zum normalen internationalen Handel nicht vor Ende 2021 oder sogar dem ersten Quartal 2022 zu erwarten. Das bedeutet, dass die unerschwinglichen Kosten für den Transport von Waren auf dem Seeweg noch einige Monate lang ein ernsthaftes Problem für Unternehmen darstellen werden. Und diese Kostenexplosion wird auch den Inflationsdruck anheizen, was in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht willkommen ist.
Wird die primäre Rolle Chinas in den Lieferketten in Frage gestellt?
China ist der klare Gewinner der Covid-Krise. Die Wirtschaft des Landes ist stark und die Mittelschicht wächst. So hat Apple beispielsweise in China doppelt so viele iPhone-Nutzer wie in den USA. Und General Motors verkauft mehr Autos in China als in der Region Kanada/USA/Mexiko. Im Jahr 2022 wird die chinesische Wirtschaft um 10 % größer sein als 2019, während Deutschland und Frankreich erst Anfang 2022 ihr Vorkrisen-BIP-Niveau wieder erreichen werden. Daher wird China auch in den kommenden Jahren im Mittelpunkt der Lieferketten und der Logistik stehen. Allerdings wird die Verlagerung von Tätigkeiten mit geringer Wertschöpfung von China nach Südostasien (insbesondere Vietnam) zunehmen. Diese Bewegung ist bereits seit mehreren Jahren im Gange und könnte langfristig auch Tätigkeiten mit einer hohen technologischen Komponente betreffen. Wir wissen, dass Vietnam bestrebt ist, seine Wirtschaft im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnologie starkt weiter zu entwickeln.
In der COVID-19 Pandemie wurden Lieferketten geschwächt. Bild und Copyright: Travel mania / shutterstock.com
Die Pandemie hat unseren Glauben an die Globalisierung in Frage gestellt: Lieferketten wurden geschwächt und die Spezialisierungsbestrebungen wurden angreifbar. In den Turbulenzen der Krise haben einige Länder sogar den Sirenengesängen des Protektionismus nachgegeben. Doch trotz gewisser Schwächen ist die Bilanz der Globalisierung auf lange Sicht im Allgemeinen positiv. Insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder konnten ihre Bevölkerung aus der Armut befreien und die Entstehung einer Mittelschicht ermöglichen. Aber: wir müssen das Thema Globalisierung zukünftig anders angehen. Insbesondere wäre es ratsam, jeden Sektor sorgfältig zu untersuchen, auf die konkreten Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen und etwaige regulatorische Hindernisse zu beseitigen. Aber vor allem ist es wichtig in Zukunftssektoren zu investieren, eine Bestandsaufnahme unseres Know-hows vorzunehmen, es zu entwickeln, indem man sich technologische Durchbrüche zunutze macht. Anschließend kann man sich mit gezielten Investitionen auf den Märkten der Zukunft positionieren, um einen Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Anstatt zu verlagern, müssen wir lokalisieren. Anstatt zu de-globalisieren, müssen wir anders globalisieren.