Fed-Klartext in Jackson Hole? - Börse München
Steigende Nervosität. Nach den vorangegangenen Höchstständen haben die deutschen Aktienmärkte in der vergangenen Woche etwas den Rückwärtsgang eingelegt. Grund dafür waren vor allem enttäuschend bzw. durchwachsen ausgefallene Konjunkturdaten und die Sorgen vor den wirtschaftlichen Auswirkungen der stark steigenden Corona-Infektionszahlen. Belastet wurden die Kurse auch von Sorgen über die weitere Geldpolitik der US-Notenbank Fed. Diese lösten sich am Freitagnachmittag allerdings etwas auf, nachdem der Präsident der Fed von Dallas, Rob Kaplan, erklärte hatte, wenn es so aussehe, als würde die Ausbreitung der Delta-Variante des Corona-Virus das Wirtschaftswachstum in den USA bremsen, könnte er seine Forderung nach einer raschen Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe der Fed überdenken. Und auch wenn sich die Märkte deutlich nervöser als in den Vorwochen zeigten, nutzten Schnäppchenjäger immer wieder ihre Chancen und kauften bei fallenden Kursen nach. Dies wiederum sorgte dafür, dass sich die Kursverluste unter dem Strich in engen Grenzen hielten.
Insgesamt verlor der Deutsche Aktienindex (Dax) auf Wochensicht 1,0 Prozent und beendete den Handel am Freitag bei 15.823,30 Punkten. An der Spitze der Wochengewinner im Dax standen RWE. Die Aktien des Versorgers profitierten sowohl von positiven Analystenkommentaren als auch vom generellen Trend hin zu defensiven Werten in einem nervösen Umfeld. Insgesamt legten sie in den vergangenen fünf Handelstagen um 6,3 Prozent zu. Durch die Bank weg deutlich nach unten ging es dagegen für die großen Automobilhersteller. Sie gelten als besonders konjunktursensibel. Zudem leiden sie weiterhin unter Materialknappheit, insbesondere bei Chips. Volkswagen Vorzüge, BMW und Daimler bildeten entsprechend mit Verlusten von rund 7 Prozent das Schlusslicht-Trio im Dax.
Der MDax konnte seinen Vorwochen-Höchststand ebenfalls nicht halten. Er gab in den vergangenen fünf Handelstagen 0,5 Prozent auf 35.735,58 Punkte nach. Der TecDax legte dagegen weiter zu. Bei ihm standen zum Handelsende am Freitag 3.868,05 Punkte auf der Anzeigentafel. Das waren 1,1 Prozent mehr als eine Woche zuvor. Der m:access All-Share gab dagegen um 0,5 Prozent auf 2.968,71 Zähler nach.
Die Kurse an den deutschen Anleihemärkten sind in der vergangenen Woche leicht gestiegen. Dies führte zu etwas nachgebenden Renditen. Als Grund dafür nannten Marktteilnehmer vor allem die generell wachsende Nervosität an den Aktienbörsen, was zu steigendem Interesse an den als sicher geltenden Bundesanleihen geführt habe, sowie die Sorgen, dass sich die weltweit steigenden Corona-Inzidenzwerte negativ auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken. Im Wochenvergleich ging die Rendite der marktbestimmenden zehnjährigen Bundesanleihe von -0,47 auf -0,5 Prozent zurück. Die Umlaufrendite rutschte um 3 Basispunkte auf -0,54 Prozent ab.
Ähnlich wie die deutschen Aktienmärkte haben auch die US-Aktienbörsen in der vergangenen Woche unter dem Strich den Rückwärtsgang eingelegt. Der Dow-Jones-Index verlor 1,1 Prozent auf 35.112,93 Punkte. Der breiter gefasste S&P-500-Index bröckelte 0,6 Prozent auf 4.440,84 Zähler ab. Der technologielastige Nasdaq-100-Index wiederum gab um 0,3 Prozent nach und beendete den Handel am Freitag bei 15.090,79 Punkten.
Ausblick
Steigende Inzidenzwerte und die damit verbundenen Konjunktursorgen, Bahnstreik und die Angst vor einem Ende der ultralockeren Geldpolitik in den USA: Angesichts dieses Umfelds geben sich die meisten Analysten bei ihren Kursprognosen für die kommenden Tage sehr vorsichtig. Klarheit darüber, ob die Konjunktursorgen berechtigt sind, bzw. ob die Realwirtschaft die Lage deutlich anders als die Analysten einschätzt, könnten die kommenden Tage bringen. Denn in diesen werden einige wichtige Konjunkturbarometer veröffentlich. Den Anfang machen am Montag die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland und der Eurozone. Sie gelten als wichtige Frühindikatoren. Am Dienstag folgen neue Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland, und am Mittwoch wird mit dem Ifo-Geschäftsklimaindex der wohl wichtigste Indikator für die aktuelle Stimmung und für die Erwartungen der deutschen Wirtschaft veröffentlicht. Am Donnerstag wiederum gibt es mit dem GfK-Verbrauchervertrauen neue Zahlen zur Stimmung der Konsumenten in Deutschland.
Für Ende der Woche erhoffen sich die Analysten, mehr über die weitere Politik der Fed zu wissen. Denn dann beginnt das jährliche Notenbankertreffen in Jackson Hole. Bei dem Treffen im US-Bundesstaat Wyoming haben sich insbesondere die jeweiligen Präsidenten der Fed schon das eine oder andere Mal relativ klar über die künftige Geldpolitik der wichtigsten Notenbank der Welt geäußert. Ob Fed-Präsident Jerome Powell in Jackson Hole Klartext reden wird, steht allerdings in den Sternen. In den Vorjahren jedenfalls hatte er die entsprechenden Hoffnungen nicht erfüllt.
Weiter geht es zudem mit der Quartalsberichts-Saison. Dabei stehen zwar erneut nur wenige Termine an, für viel Interesse auf dem Parkett dürften aber zumindest die Zahlen des Dax-Neulings Delivery Hero sorgen. Der Lieferdienst veröffentlicht diese am Donnerstag. Daneben geben unter anderem auch der Veranstaltungs-Vermarkter CTS Eventim und der BioNTech-Partner Dermapharm (beide am Dienstag) ihre Zwischenergebnisse bekannt.
Ausgewählte wichtige Termine der Woche
Montag, 23.08.: Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland und der Eurozone; Dienstleistungsindizes für Deutschland und die Eurozone; Markit PMI Gesamtindex (USA); Nationaler Aktivitätsindex der Chicago Fed (USA); Verkäufe bestehender Häuser in den USA
Dienstag, 24.08.: Bruttoinlandsprodukt Deutschlands; Verkäufe neuer Häuser in den USA
Mittwoch, 25.08.: Ifo-Geschäftsklimaindex (Deutschland); Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter in den USA
Donnerstag, 26.08.: GfK-Verbrauchervertrauen (Deutschland); Persönliche Konsumausgaben in den USA; Beginn des Notenbankertreffens in Jackson Hole
Freitag, 27.08.: Persönliche Einkommen und Ausgaben in den USA; Verbrauchervertrauen der Universität Michigan (USA); Warenhandelsbilanz der USA
Autor: Dr. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG