Deutschland: Materialmangel kann dem Auftragseingang im Juni nichts anhaben - VP Bank
Die Auftragseingänge für das deutsche verarbeitende Gewerbe legen im Juni um 4.1% gegenüber dem Vormonat zu.
Das Auftragsplus ist ein Labsal. Es war nämlich durchaus zu befürchten, dass der Materialmangel den Auftragseingang erneut belastet. Im Mai stand ein deutliches Minus von 3.2 % zu Buche. Stockt die Produktion aufgrund fehlender Vorprodukte, wird vielerorts erst gar nicht mehr bestellt. Auch die massiv gestiegenen Erzeugerpreise halten so manchen Unternehmer von der Bestellung neuer Maschinen ab. Umso schöner ist es, dass dies im Juni nicht mehr zählte und das Auftragsminus des Mai sogar überkompensiert werden konnte. Die Bilanz bleibt mit dem heutigen Auftragszuwachs weiterhin eine exzellente. Seit Mai 2020 waren die Neubestellungen nur zweimal (im jeweiligen Monatsvergleich) rückläufig. Lediglich im Mai dieses Jahres und im Dezember des vergangenen Jahres wurde eine Minus vermeldet.
Das deutliche Auftragsplus im Juni wird allerdings durch Grossaufträge im inländischen Investitionsgüterbereich überzeichnet. Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Aufträge aus dem Inland um 9.6 %. Massgeblich hierfür waren vor allem Grossaufträge.
Der Industrie geht es eigentlich blendend. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Die Auftragsreichweite lag zuletzt bei sieben Monaten, im Bereich von Investitionsgütern sogar bei neuneinhalb Monaten. Das verarbeitende Gewerbe hat für dieses Jahr bereits ausgesorgt. Wäre da nicht noch das Wort «eigentlich». Das Problem ist, dass die Industrie den exzellenten Auftragsbestand derzeit nicht in eine entsprechen gutlaufende Produktion ummünzen kann. Die fehlenden Vorprodukte belasten. Vor allem die Unterversorgung mit Halbleitern führt in vielen Industriebereichen zu Produktionsausfällen. Die Automobilindustrie ist dabei das prominentestes Beispiel. Doch auch der Fachkräftemangel macht sich immer deutlicher bemerkbar. Ohne das richtige Personal können die Aufträge oftmals nicht fristgerecht abgearbeitet werden. Es mangelt und klemmt derzeit also an vielen Ecken.
Der gute Lauf bei den Auftragseingängen wird sich allerdings so in den kommenden Wochen nicht fortsetzen. Die chinesische Administration drückt auf die Kreditbremse und auch in den USA ebbt der Nach-Corona-Boom ab. Die Aufträge werden deshalb in den kommenden Monaten weniger stark sprudeln. Das Minus der Auftragseingänge aus dem Ausland ausserhalb der Eurozone von 0.2 % ist zwar nicht gross, mahnt aber diesbezüglich zur Vorsicht. In Anbetracht des hohen Auftragsbestandes muss man sich um die Industrie allerdings selbst im Falle geringerer Auftragseingänge vorerst keine Sorgen machen.