UK: Covid-19 und der Brexit führen zu Belastungen der Wirtschaft - Nord LB Kolumne
Das Vereinigte Königreich leidet aktuell sehr stark unter der Coronavirus-Krise. Das Gesundheitssystem des Landes stößt an seine Grenzen. Entsprechend wurde für England inzwischen ein sehr harter Lockdown verhängt, der das tägliche Leben deutlich beeinflusst und die Wirtschaft des Landes daher auch weiter belasten sollte.
Die extrem schwierige Covid-19-Lage im Vereinigten Königreich, die scharfe Maßnahmen im Kampf gegen das Virus erforderlich gemacht hat, dürfte unserer Auffassung nach ein wichtiger Faktor gewesen sein, der die britische Politik im Dezember bei der Findung einer Brexit-Lösung unter Handlungsdruck gesetzt hat. Mit einem noch größeren No-Deal-Chaos zum Start des Jahres wäre sonst die grundsätzlich weiterhin zu erwartende Gegenbewegung bei der Wirtschaftsaktivität im Vereinigten Königreich sicherlich komplett ausgeblieben. Insofern stand man unter einem gewissen Zwang, der EU bei den Fischereirechten stärker entgegenzukommen, als mancher Politiker in London wohl eigentlich gewollt hatte. Durch den Deal konnten immerhin zusätzliche Belastungen durch Zölle und Mengenbegrenzungen im Handel mit der EU vermieden werden. Großbritannien hat aber zum 31.12.2020 den gemeinsamen Binnenmarkt verlassen und es existiert damit seit dem 1.1.2021 eine neue Zollgrenze. Insofern sind – auch wenn es prinzipiell keine Zölle für Waren gibt – Zoll- und Zertifikatskontrollen nötig geworden. Zollfrei sind dabei jedoch nur jene Güter, die den jeweiligen Ursprungsregeln genügen. Die damit nun grundsätzlich notwendigen Zollformalitäten im Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU führen ohne jeden Zweifel zu einem erhöhten Aufwand – und damit auch zu Kosten für die an der Lieferung der Waren beteiligten Unternehmen. Mit Blick auf die Ursprungsregeln steckt der Teufel zudem durchaus im Detail. Weiterhin werden dort Zölle fällig, wo Güter zunächst importiert und dann sofort wieder exportiert werden sollen. Zudem sind Spielregeln vereinbart worden, die gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherstellen sollen, was es London beispielsweise erlaubt, eigene Standards in Fragen des Arbeitsrechts einzuführen. Ein Schiedsgericht kann beiden Seiten aber spezifische Zölle als Ausgleich zur Sicherstellung des fairen Wettbewerbs erlauben. Daher existieren nun neue bürokratische Prozesse, auf die sich die Wirtschaft erst einstellen muss.
Weiterhin gibt es mit dem Nordirland-Protokoll eine Sonderregelung, die eine „harte“ Grenze mit der Republik Irland verhindert hat. Auch diese Regelung schafft aber Probleme, da inländische Lieferungen in diesen Teil des Vereinigten Königreiches nun anders behandelt werden müssen als beispielsweise der Warenverkehr zwischen England und Wales oder England und Schottland. In vielen britischen Firmen ist man sich aktuell noch nicht sicher, wie mit den neuen Formalitäten umgegangen werden soll. Insofern verwundern die Presseberichte über Lieferengpässe in nordirischen Supermärkten eigentlich nicht. Auch wenn es sich hierbei wohl zunächst vor allem um ein „Ruckeln“ beim Start in eine neue und veränderte Zukunft handelt, wird der Aufwand für die britischen Firmen auch perspektivisch erhöht bleiben. Insofern ist die Forderung nordirischer Wirtschaftsverbände nach weiteren Gesprächen zwischen London und Brüssel und nach mehr Klarheit durch die britischen Behörden keine Überraschung.
Fazit: Die britische Wirtschaft leidet derzeit stark unter dem neuen Coronavirus. Der „Last-Minute-Deal“ mit der EU verhindert zwar zumindest unnötige Belastungen durch den Brexit, dennoch existiert nun eine neue Zollgrenze, die zweifellos zu mehr Bürokratie führt. Auch dies ist ein Problem für die britische Wirtschaft. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer Revision unserer UK-Wachstumsprognose nach unten.