Harter Brexit vermieden: Freihandelsabkommen in letzter Minute - Commerzbank Kolumne
Großbritannien und die EU haben sich an Weihnachten auf ein Abkommen geeinigt, das die Beziehungen nach der Übergangsperiode vom EU-Austritt (31. Januar 2020) bis Ende 2020 regelt. Im Wesentlichen geht es darin um ein Freihandelsabkommen, d.h. es werden auch weiterhin keine Zölle erhoben, allerdings erschweren künftig andere Hemmnisse den Handel, was vor allem mit umfangreicher Bürokratie verbunden ist. Es gibt außerdem kein Recht mehr auf Niederlassung und Arbeitsaufnahme im jeweiligen anderen Wirtschaftsraum. Großbritannien erkauft sich den zollfreien Zugang aber mit der Zusicherung, den heimischen Unternehmen keine unfairen Wettbewerbsvorteile durch die Senkung von Standards bei Arbeitnehmerrechten, der Umwelt oder durch Subventionen zu verschaffen. Es ist zwar besser als kein Abkommen, aber schlechter als es die Bedingungen in der Übergangsfrist waren. Es bleiben Dienstleistungen außen vor, die für Großbritannien viel wichtiger sind als der Warenaustausch. So verlieren beispielsweise britische Finanzunternehmen den automatischen Zugang zum EU-Markt. Die Aufwertung des britischen Pfunds ggü. Euro und US-Dollar, die vor dem Jahreswechsel einsetzte, war sehr verhalten, da ein harter Brexit bislang nicht ganz eingepreist war. Zu Wochenbeginn schwächte sich das britische Pfund wieder ab. Grund dafür ist u.a. ein landesweiter Lockdown, der bis Mitte Februar verhängt wurde und die Wirtschaft schwächen wird. Außerdem wirken mehr und mehr Zinssenkungsspekulationen. Mit dem Abkommen kann sich die Bank of England (BoE) ganz auf die heimische Wirtschaft konzentrieren und im Gegensatz zur EZB hat sie noch einen Zinssenkungsspielraum. Die Zinsspekulationen dürften eine weitere Pfunderholung dämpfen oder gar zunichte machen
Anleihen
China: Einkaufsmanagerind., Dienstl. (Dez), 02:45 Uhr
Deutschland: Verbraucherpreise (Dez), 14:00 Uhr
USA: ADP-Beschäftigungsbericht (Dez), 14:15 Uhr
USA: Protokoll der Notenbanksitzung, 20:00 Uhr
In den USA ist der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe erstmals seit August 2018 auf über 60 Punkte gestiegen – auf genau 60,7 Punkte. Auch die Einzelheiten zeichnen, trotz hoher und steigender Infektionszahlen, ein sehr positives Bild, denn auch wichtige Unterkomponenten wie Beschäftigung (51,5 nach 48,4 Punkte), Neuaufträge (67,9 nach 65,1 Punkte) oder Preise (77,6 nach 65,4 Punkte) weisen auf einen kräftigen Aufschwung hin. Doch gerade die Preiserwartungen stellen eine Gefahr dar, da bei den Preisen in der Vergangenheit den Erwartungen häufig tatsächliche Preissteigerungen gefolgt sind. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit sollten die Preise noch nicht steigen, denn sonst wären die geld- und fiskalpolitischen Möglichkeiten, die Konjunktur anzuschieben, plötzlich beschränkt. Steigende Inflationserwartungen spiegelt aber auch der US-Rentenmarkt wider: Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries stieg von 0,94% auf 1,02%. Trotz der hervorragenden Konjunkturdaten gab der Dollar zum Euro etwa 0,8% nach. Insgesamt positive Daten wurden auch aus Deutschland gemeldet. So konnten die Einzelhändler – vor dem Lockdown – mit +1,9% zum Vormonat einen kräftigen Umsatzzuwachs im November erzielen. Anekdotische Berichte deuten darauf hin, dass zumindest in Frankfurt mehr Haushalte dieses Jahr ihre Weihnachtseinkäufe vorgezogen haben. Die Bundesagentur für Arbeit meldete einen Rückgang der saisonbereinigten Zahl der Arbeitslosen um 37.000. Die Arbeitslosenquote verharrte jedoch bei 6,1%. Im vergangenen Jahr dürften etwa 500.000 Beschäftigte ihre Stelle verloren haben. Ungleich höher ist aktuell aber noch die Zahl der Kurzarbeiter.
Aktien
Heute keine relevanten Unternehmenstermine
Die europäischen Aktienmärkte tendierten am gestrigen Handelstag uneinheitlich. Die relevanten Leitindizes büßten in der Spitze um bis zu 0,5% (Deutschland, Italien) ein, erholten sich aber größtenteils spürbar von den Tagestiefständen. Für leichten Verkaufsdruck sorgte die Furcht der Anleger vor der unverändert hohen Zahl von Covid-19-Neuinfektionen mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Konjunktur und auf die Verschuldung der Staatshaushalte im ersten Quartal 2021. Eine Verlängerung bestehender oder möglicherweise sogar eine Ausweitung von Lockdowns wie in England oder in Deutschland drückt auf die Stimmung. Entsprechend fallen die Positionierungen der Anleger aus, die sich auf die Lockdown-Gewinner wie Delivery Hero fokussieren. Gestern legte die Aktie um weitere 5,5% zu; somit summiert sich das Kursplus seit Jahresbeginn bereits auf 13,5%. Zyklische Aktien haben es in diesem Umfeld nach den teilweise starken Zugewinnen im zweiten Halbjahr 2020 dagegen schwerer. Autowerte wie BMW (-1,4%) büßten weiter ein. Die Aktie von Continental fiel trotz eines positiven Brokerberichts um 0,8%. Die Aktie von Bayer, die im Jahr 2020 kräftig einbüßte, stieg um 0,4%. Für etwas Gegenwind oder Zurückhaltung sorgte auch die Senatswahl in Georgia, deren Ergebnis über die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat entscheidet. Auf europäischer Sektorenebene waren gestern vor allem Werte aus dem Bereich Energie gefragt, die im Schnitt um 3,6% kletterten. Die stärksten Kursabschläge verzeichnete der Versorgersektor (-1,3%). Die Börsen in den USA tendierten freundlicher. Der Dow Jones-Index gewann 0,6%. In USD denominierte chinesische Telekomaktien legten in den USA deutlich zu, nachdem der Börsenbetreiber Nyse beschlossen hatte, diese nicht vom Handel auszuschließen. Infolge des Ölpreisanstiegs waren v.a. Energieaktien (+4,5%) gefragt. Die Börsen in Asien tendierten zur Wochenmitte uneinheitlich.