ZEW-Umfrage: Konjunkturdelle im Winter, Hoffnungen auf den Impfstoff - Nord LB Kolumne
Heute Vormittag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Ergebnisse seiner monatlichen Konjunkturumfrage unter Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im November hat demnach die Stimmung unter den Finanzmarktexperten einen weiteren spürbaren Dämpfer erhalten. Im Vergleich zum Vormonat reduzierten sich die Konjunkturerwartungen für Deutschland deutlich von 56,1 auf 39,0 Saldenpunkte. Auch die Erwartungen für die Eurozone verringerten sich nochmals kräftig von 52,3 auf nur noch 32,8 Punkte.
Seit dem Mai hatten die Finanzmarktexperten die gesamtwirtschaftliche Situation stetig besser beurteilt. Angesichts der in Europa grassierenden zweiten Infektionswelle und vor dem Hintergrund der im November deutlich verschärften staatlichen Eindämmungsmaßnahmen wird jedoch von den Umfrageteilnehmern – wenig überraschend – auch erstmals wieder die aktuelle konjunkturelle Lage schlechter als im Vormonat bewertet. Die Lagekomponente sank jedoch verhältnismäßig leicht von -59,5 auf -64,3 Saldenpunkte.
Insgesamt haben sich die heute gemeldeten Zahlen in die erwartete Richtung entwickelt, auch wenn sich die Erwartungen noch ein wenig stärker als prognostiziert eingetrübt haben. Gleichwohl zeigte sich der deutsche Aktienmarkt heute Vormittag ziemlich unbeeindruckt von den schlechten Stimmungsdaten aus der europäischen Wirtschaft. Die gestrige Meldung von Pfizer und BioNTech zu ersten Erkenntnissen zur Wirksamkeit ihres Impfstoffs hatte Hoffnungen auf eine in absehbarer Zeit verfügbare effiziente Waffe im Kampf gegen SARS-CoV-2 genährt.
An den Finanzmärkten wurde die Nachricht von Pfizer/BioNTech gestern regelrecht euphorisch aufgenommen und der DAX von 12.700 Punkten binnen Minuten weit über die Marke von 13.000 Punkten katapultiert. Für den mittelfristigen Wirtschaftsausblick ist die Aussicht auf eine Überwindung der Pandemie sehr viel bedeutender als die ohnehin nicht mehr abzuwendende Konjunkturdelle im laufenden Winterhalbjahr. Entsprechend konnte sich der DAX zumindest heute Vormittag recht stabil oberhalb der psychologisch wichtigen Marke von 13.000 Punkten halten.
Die ZEW-Umfrage beleuchtet jedoch stärker kurzfristige Entwicklungen, und wegen des sehr dynamischen Infektionsgeschehens weht im Winterhalbjahr konjunkturell wieder ein rauerer Wind. Bereits im laufenden vierten Quartal und damit früher als von uns erwartet kommt es zu einer abermaligen Konjunkturdelle, ein leichter Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität kann auch für das erste Quartal 2021 nicht ausgeschlossen werden. So muss zumindest bis zu günstigeren Witterungsverhältnissen im Frühjahr damit gerechnet werden, dass gewisse Einschränkungen bestehen bleiben. Auch wenn das Ausmaß der ökonomischen Dämpfung in keiner Weise mit dem Einbruch während der ersten Welle im März/April vergleichbar ist, wird die EZB im Dezember wie angekündigt ein ganzes Maßnahmenbündel zur Stabilisierung der Wirtschaft in der Eurozone auf den Weg bringen.
Fazit: Die Konjunkturstimmung der Finanzexperten hat sich im November wie erwartet weiter abgekühlt. Die ZEW-Konjunkturerwartungen sanken auf 39,0 Punkte. Auch die aktuelle Lage wurde erstmals wieder etwas schlechter als im Vormonat beurteilt. Während sich die jüngsten Entwicklungen (Brexit, US-Wahlen) aus europäischer Perspektive positiver als in den Risikoszenarien darstellen, hilft dies konjunkturell kurzfristig wenig. Für das Winterhalbjahr dominieren die zweite Corona-Welle und die staatlichen Eindämmungsmaßnahmen das (eingetrübte) Konjunkturbild, weshalb die EZB für den Dezember ein ganzes Maßnahmenbündel in Aussicht gestellt hat. Die Finanzmärkte blicken jedoch schon weiter und setzen auf eine Überwindung der Pandemie durch einen Impfstoff. Die Aussichten sind tatsächlich gut, so dass wir für 2021 weiter eine kräftige Erholung der Wirtschaft erwarten.