China: Zurück in der Spur!(?) BIP wächst im II. Quartal um starke 11,5%! - Nord LB Kolumne
In der vergangenen Nacht wurden die BIP-Zahlen aus China für das II. Quartal 2020 vorgelegt. Weltweit war die Veröffentlichung von besonderem Interesse: Erstens sind dies die ersten offiziellen BIP-Zahlen für das vergangene Quartal überhaupt global gesehen. Zweitens gilt China als „Vorläufer“ hinsichtlich der Ausbreitung des Coronavirus. Tendenzen im Reich der Mitte geben deswegen in der aktuellen Phase auch einen gewissen Anhaltspunkt für die zu erwartende (besser: erhoffte) Entwicklung der konjunkturellen Daten in anderen Regionen der Erde.
Nach dem Einbruch des BIP im I. Quartal war mit einer massiven Erholung zu rechnen gewesen. Letztlich fiel der Anstieg im II. Quartal mit +11,5% Q/Q sogar etwas stärker als erwartet aus. Die jahrelang wie an der Schnur gezogene BIP-Quartalswachstumsrate bei ziemlich konstant langweiligen 1,5% hat nun innerhalb zweier Quartale eine extreme V-Bewegung vollzogen. Entsprechend konnte sich auch die BIP-Jahresrate nach knapp 6% Ende 2019 und dem Einbruch auf -6,8% im I. Quartal nun wieder auf 3,2% im II. Quartal erholen. Eine Rezession konnte China abwehren!
Überraschend ist diese Tendenz nicht: Die Stimmungsumfragen von CFPL und Caixin aus dem Unternehmenssektor hatten im Verlauf der vergangenen drei Monate mit Sprüngen über die als Expansionsschwelle zu angesehene Marke von 50 Punkten darauf hingewiesen. Dennoch kann die nun erzielte zweistellige Wachstumsrate schon als beeindruckend bezeichnet werden. Damit scheint China als weltweit erstes Land die Coronakrise wirtschaftlich zunächst gemeistert zu haben.
Dennoch gibt es weiterhin Widrigkeiten für das Reich der Mitte: Erstens haben zwar die ebenfalls veröffentlichten Produktionszahlen für Juni mit einem Anstieg um bereits wieder 4,8% Y/Y überzeugt, doch hier wird China perspektivisch von der externen Nachfrage abhängig sein. Sollte diese pandemiebedingt nicht anziehen, würde dies auch China zu spüren bekommen. Zweitens müssen die bekanntgegebenen Einzelhandelsumsätze für Juni mit einem Rückgang von -1,8% Y/Y als enttäuschend bezeichnet werden. Hier könnte auch das generelle Problem einer Post-Corona-Volkswirtschaft liegen: Anhaltend hohe Verunsicherung über die Pandemie- und die Arbeitsmarktentwicklung wird die Kauflaune der Verbraucher auch perspektivisch dämpfen. Und drittens könnte China nicht nur in einen erneuten Handelskrieg mit den USA geraten, sondern viertens zusätzlich in ein moralisches „Glaubwürdigkeitsloch“ mit anderen (z.B. europäischen) Ländern fallen (H.K.).
Was heißt das für andere Regionen der Erde? Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern konzentrierten sich die negativen konjunkturellen Effekte in China auf ein einziges (nämlich das I.) Quartal, wohingegen sich die Auswirkungen in Europa und Nordamerika auf zwei Quartale „verteilen“ werden. In Europa und Nordamerika „warten“ wir also noch auf die BIP-Veröffentlichung der katastrophalen Wachstumszahlen für das II. Quartal. Bodenbildungen und Erholungstendenzen sind aber auch hier schon in den Monatsdaten aus dem Mai und Juni auszumachen.
Fazit: Nach dem Wachstumseinbruch im I. Quartal um -10% Q/Q gelang China im II. Quartal ein beeindruckender Rebound um 11,5%. Die Jahresrate zog von -6,8% auf 3,2% an. Das ist die erhoffte V-Erholung, eine Rezession wurde abgewehrt! Während aber die ebenfalls veröffentlichte Industrieproduktion für Juni mit +4,8% Y/Y überzeugte, spiegelt der enttäuschende Rückgang der Einzelhandelsumsätze für Juni mit -1,8% Y/Y eine Kaufzurückhaltung der chinesischen Verbraucher wider. Genau das könnte auch weltweit gesehen zu einem Problem werden: Sogar wenn die Infektionszahlen fallen, kehrt die Kauflaune nicht einfach so zurück! Weitere Fragezeichen bleiben: Eine schwächelnde weltweite Nachfrage dämpft den chinesischen Export, Immobilienmarkt und Aktienmarkt scheinen überhitzt und ein Handelskrieg mit den USA droht. Hinzu kommt dann noch politisch gesehen das kritisierte Auftreten in Hong Kong und der uneingeschränkte Machtanspruch der Partei.