Wirecard bleibt „einzigartig” in vieler Hinsicht: Öffnen sich die EY-Berichte auch für Aktionäre?
Der „Fall Wirecard” ist in vieler Hinsicht ein trauriger Rekordfall für den DAX und den Frankfurter Aktienmarkt. Nun könnte eine weitere Besonderheit hinzu kommen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa-AFX zufolge könnte es nun zu einem neuen Novum bei Wirecard kommen: Der Anwendung eines Paragraphen aus dem Handelsgesetzbuch, der vielleicht sogar den Aktionären einen Blick in die Abschlussberichte der Wirtschaftsprüfer von EY erlaubt.
„All jene, die Forderungen haben - etwa Banken und Lieferanten, in bestimmten Fällen aber auch Aktionäre - können Einsicht in die Prüfungsberichte der vergangenen drei Jahre beantragen, sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist”, zitiert dpa-AFX den Wirtschaftsprofessor Kai-Uwe Marten von der Universität Ulm. Marten bezieht sich auf den Paragraphen 321a des Handelsgesetzbuches, der eine Offenlegung des Prüfungsberichts in besonderen Fällen erlaubt. Allerdings hat die Rechtsvorschrift eine Hürde, die viele Kleinaktionäre zunächst ausschließt: „Bei einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien stehen den Gesellschaftern die Rechte nach Absatz 1 Satz 1 nur zu, wenn ihre Anteile bei Geltendmachung des Anspruchs zusammen den einhundertsten Teil des Grundkapitals oder einen Börsenwert von 100 000 Euro erreichen. Dem Abschlussprüfer ist die Erläuterung des Prüfungsberichts gegenüber den in Absatz 1 Satz 1 aufgeführten Personen gestattet”, heißt es in dem Paragraphen.
Derweil verliert die Wirecard Aktie heute Morgen weiter an Wert, notiert mit aktuellen Indikationen bei 2,32/2,39 Euro aber weiter deutlich unter dem Crash-Tief von 1,08 Euro, das am 26. Juni nach der Anmeldung des Insolvenzverfahrens durch das Unternehmen erreicht wurde. Bei aktuellen Kursen liegt weiter ein Börsenwert von 289 Millionen Euro vor - das ist immer noch reichlich im Vergleich zu anderen Insolvenz-Situationen. Zwischenzeitlich hatten die üblichen „Insolvenz-Zockereien” den Aktienkurs von Wirecard allerdings von 1,08 Euro auf knapp 9,20 Euro getrieben. Diese Zockerblase platzte in den letzten Tagen aber schnell wieder, seitdem ist eine klare und ungebrochene Abwärtsbewegung bei Wirecards Aktienkurs zu sehen.
Eine Basis hatte diese Spekulation trotz aller Gerüchte ohnehin nie. Die große Frage ist derzeit einzig, wie viel Insolvenzverwalter Michael Jaffé noch für die Gläubiger des insolventen Unternehmens herausholen kann und ob noch weitere Tochtergesellschaften der DAX-notierten Gesellschaft den Weg in die Pleite gehen müssen. Vor allem zwei wichtige operative Konzerngesellschaften stehen dabei im Blickpunkt: Zum einen die britische Wirecard Card Solutions (boon.-Initiator) und die Wirecard Bank (u.a. „boon.planet”), die wichtige Lizenzen der Kreditkartengesellschaften und auch die operativ unverzichtbare Banklizenz hält. Beide Gesellschaften sind bisher nicht in die Insolvenz gegangen, stehen aber unter der Beobachtung der Behörden - wir berichteten.