Wirecard: Der Ausverkauf beginnt - Zocker bestimmen den Markt der Aktie
Mit der aktuellen Nachricht von Wirecards vorläufigem Insolvenzverwalter Michael Jaffé werden die Zocker bei der Wirecard Aktie heute erneut von der Leine gelassen. Nach dem von wilden Spekulationen geprägten Handel im bisherigen Wochenverlauf mit Kursen zwischen 1,66 Euro am Montag und 9,199 (!) Euro am gestrigen Dienstag facht die Pressemitteilung von Jaffé zum anstehenden Verkaufsprozess für Wirecards Aktivitäten die wilden Spekulationsgerüchte um Übernahmen weiter an. Aktuelle Indikationen für die Wirecard Aktie notieren bei 7,20/7,70 Euro nach einem gestrigen XETRA-Schlusskurs bei 5,73 Euro.
Was die Zocker übersehen: Wirecard steht vor dem Ausverkauf. Zwar gebe es, wie Jaffé meldet „zahlreiche Interessenten weltweit für den Erwerb von Geschäftsbereichen”, aber eben nur für die Geschäftsbereiche - nicht für die insolvente AG selbst. Deren Milliardenrisiken aus anstehenden Schadenersatzprozessen bei einer gleichzeitigen Überschuldung und Illiquidität will sich niemand ans Bein binden - verständlich. Interesse der potenziellen Käufer richtet sich allein auf einzelne Aktivitäten von Wirecard, die AG bekäme dafür einen Kaufpreis, falls es zur Einigung kommt, wird aber nach und nach zu einer leeren Hülle, in der maximal noch die wertlosen Reste aus der Ära Markus Braun übrig bleiben. Was an Geld reinkommt, geht vor allem an die Gläubiger des Konzerns - Banken und Anleihe-Investoren. Für Aktionäre, das zeigen vergleichbare Prozesse, bleibt da in der Regel nichts übrig. Schon gar nicht so viel, dass Wirecards Börsenwert weiter im Bereich der Milliarden-Grenze pendelt.
Der Ausverkauf bei dem DAX-Konzern hat nun begonnen, wo der vorläufige Insolvenzverwalter und auch der vorläufige Gläubigerausschuss nun stehen. Diese haben nun das Sagen bei Wirecard, die Aktionäre können nur noch daneben sitzen und zuschauen. „Es haben sich bereits eine Vielzahl von Investoren aus aller Welt gemeldet, die Interesse am Erwerb des Kerngeschäfts beziehungsweise der davon unabhängigen und eigenständig erfolgreich am Markt agierenden Geschäftsbereiche haben”, sagt Jaffé und stellt damit die Teile von Wirecard ins Schaufenster, die funktionieren. Welche das sind, sagt der Rechtsanwalt nicht. Ein konzertierter, strukturierter Transaktionsprozess unter Einschaltung auf verschiedene Bereiche spezialisierter Investmentbanken soll nun die Verkäufe einleiten.
Derweil drohen weiteren Tochtergesellschaften von Wirecard Insolvenzen, wie noch einmal bestätigt wird. Schon auffällig oft betonte der Konzern in den letzten Tagen, dass die Wirecard Bank AG bisher keinen Insolvenzantrag gestellt habe. Jaffé wiederholt dies: „Die Wirecard Bank AG ist weiterhin nicht insolvent, Auszahlungen an Händler und Kunden der Wirecard Bank werden ohne Einschränkungen ausgeführt”, heißt es in der Mitteilung. Offenbar muss man derzeit alle Register ziehen, um den massiven Abfluss von Kundeneinlagen bei der Bank zu verhindern. Unter dem Versprechen hoher Zinsen hatte Wirecards Bank laut Neunmonatsbilanz 2019 mehr als 1,7 Milliarden Euro an Kundeneinlagen ausweisen können können. Ob und wie viel davon aufgrund der Insolvenz des Mutterkonzerns der Bank von den Kunden bereits abgezogen wurde ist unbekannt. Fest steht: Je geringer die Einlagen sind, desto schwieriger wird auch die Lage der Bank und die Chancen, diese einigermaßen gut verkaufen zu können.
Fortschritte hat es immerhin bei der Wirecard Card Solutions gegeben, die zwischenzeitlich von der britischen Behörde operativ lahmgelegt wurde, um die Einlagen der „boon.”-Kunden zu schützen. Der Bann gegen Wirecard Card Solutions wurde mittlerweile wieder aufgehoben - wir berichteten. „Damit sind mehrere Hunderttausend Konten wieder für die Abwicklung von Zahlungen frei gegeben. Kunden können ihre darauf bezogenen (Kredit)-Karten wieder wie gewohnt nutzen”, so Wirecards Insolvenzverwalter.