Wirecard: War das gesamte Drittpartnergeschäft in Asien ein Fake?
Wirecards Aktienkurs kommt am Montagnachmittag nach dem zwischenzeitlichen Anstieg auf mehr als 4 Euro wieder unter Druck. Aktuelle Indikationen notieren bei 2,97/3,00 Euro zwar immer noch weit über dem gestrigen XETRA-Schlusskurs, aber auch deutlich unter dem Tageshoch von knapp 4,05 Euro. Hier nehmen einige Daytrader sicherlich Gewinne mit, die aus dem kaum nachzuvollziehenden Rebound des DAX-Titels entstanden sind und den insolventen Skandal-Konzern wieder auf rund eine halbe Milliarde Börsenwert aufblähten. Der Druck entsteht aber auch aus einem Bericht in der Süddeutsche Zeitung, der den schon jetzt einmaligen Bilanz-Skandal eines DAX-Konzerns noch grotesker macht.
Einem Schreiben von Wirecards Wirtschaftsprüfer EY, das der Süddeutschen Zeitung sowie NDR und WDR vorliege, bringt eine neue Dimension in den Bilanzskandal, der mit vermissten 1,9 Milliarden Euro anfing und sich in der vorläufigen Insolvenz der Wirecard-Konzernmutter zuspitzte. „Die Wirtschaftsprüfer von EY stellen Wirecards gesamtes Geschäft mit Drittpartnern in Asien in Frage - und versagen nicht nur den Jahresabschluss für 2019, sondern sogar schon den für das Jahr 2018”, heißt es in dem Bericht der Süddeutsche Zeitung. Der Vorwurf von EY ist harter Tobak, galt doch gerade das asiatische Drittpartnergeschäft als wichtigste Gewinnquelle für Wirecard - in dieser Region wurden in den vergangenen Jahren große Teile der Gewinne erwirtschaftet.
Zudem kritisieren die Wirtschaftsprüfer massiv Wirecards Willen zur Zusammenarbeit. „Dokumente wie Kontoauszüge oder Kontoeröffnungsbelege seien, trotz mehrfacher Aufforderung, nicht vorgelegt, versprochene Gesprächskontakte nicht vermittelt worden”, so die Zeitung in ihrem Bericht unter Berufung auf das Schreiben.
Offen ist nach wie vor, warum EY - trotz Warnungen - nicht schon früher auf Unstimmigkeiten in Wirecards Bilanzen reagierte und diese uneingeschränkt testierte. Erst mit dem Ergebnis der forensischen Prüfungen durch KPMG - ironischerweise von Wirecard selbst beauftragt, um die Kritiker zu widerlegen, die seit langem auf Unregelmäßigkeiten bei dem Unternehmen hinwiesen - löste sich die finale Lawine an Ereignissen, die Wirecard schließlich in die Insolvenz und der deutschen Börse endgültig einen riesigen Bilanz-Skandal brachte.
Verantwortlich für das Drittpartnergeschäft von Wirecard war bisher übrigens Jan Marsalek. Der Österreicher, jüngst von Wirecard gefeuert, soll noch vor wenigen Tagen nach Asien gereist und zwischenzeitlich untergetaucht sein.