ifo Geschäftsklima: Unternehmen spüren wieder festen Boden unter den Füßen - Nord LB Kolumne
Soeben hat das Münchner ifo-Institut aktuelle Ergebnisse seiner Umfrage unter rund 9.000 deutschen Unternehmen veröffentlicht. Im Berichtsmonat Juni hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft deutlich verbessert. Das Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft kletterte im laufenden Monat auf 86,2 Punkte und erreicht damit etwa wieder das Niveau aus dem März. Dies liegt im Rahmen der Erwartungen. Für den Aktienmarkt gaben die heutigen Zahlen daher keine großen Impulse, der DAX hatte am Vormittag eindeutig den Rückwärtsgang eingelegt.
Der Anstieg geht auf beide Teilkomponenten zurück. Die auf die Entwicklung in sechs Monaten gerichteten Geschäftserwartungen haben sich spürbar von 80,1 Punkten auf 91,4 Punkte verbessert. Hierin kommt eine wachsende Zuversicht der Unternehmenslenker zum Ausdruck, dass sich die Konjunktur im zweiten Halbjahr recht zügig von dem Einbruch im Frühjahr erholen wird. Zudem wird die aktuelle Geschäftslage mit 81,3 Punkten etwas besser beurteilt als im Mai. Die Stimmungsaufhellung fiel praktisch in allen Sektoren kräftig aus. Einzig das Bauhauptgewerbe profitierte nicht ganz so stark, hier hatten sich allerdings die pandemiebedingten Eindämmungsmaßnahmen in den Vormonaten auch nicht ganz so negativ ausgewirkt wie im überwiegenden Rest der Wirtschaft.
Die Ergebnisse der ifo-Umfrage liegen damit auf einer Linie mit den Konjunktureinschätzungen der von sentix und dem ZEW befragten Finanzmarktexperten. Auch die bereits gestern von Markit publizierten Umfragedaten zur Stimmung unter den deutschen Einkaufsmanagern hatten ein ganz ähnliches Bild gezeichnet. Im Juni haben sich die Einkaufsmanagerindizes bereits wieder in die Nähe ihrer Vorkrisenniveaus zurückgetastet.
Der Tiefpunkt der gesamtwirtschaftlichen Aktivität ist ziemlich sicher bereits im zweiten Quartal durchschritten worden. Hierfür sprechen auch diverse alternative und hochfrequente Konjunkturindikatoren wie der LKW-Maut-Fahrleistungsindex. Gleichwohl ist für das zweite Quartal ein historischer Einbruch des realen Bruttoinlandsprodukts praktisch sicher, der Rückgang wird jedenfalls erheblich stärker ausfallen als im vorherigen Quartal. Den Frühindikatoren zufolge ist nach dem Absturz aber bereits im Sommer mit einer spürbaren Gegenbewegung zu rechnen.
Wir rechnen ebenfalls mit einer recht kräftigen Erholung im zweiten Halbjahr, wozu auch das Konjunkturpaket einen veritablen Beitrag leisten wird. Für das Gesamtjahr wird sich dennoch der stärkste BIP-Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg ergeben. Die jüngsten Ausbrüche, u.a. im Kreis Gütersloh, haben aber noch einmal verdeutlicht, dass die Pandemie noch nicht beendet ist. Gerade auch aus ökonomischer Sicht muss eine zweite Welle unbedingt vermieden werden, da ansonsten die unterstellte Erholung in Gefahr geriete. Gerade die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft ist zudem in einem hohen Maße davon abhängig, dass auch die Haupthandelspartnerländer nachhaltig das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen. Hier bestehen leider noch einige Fragezeichen, weshalb sich in den kommenden Monaten der Stimmungsauftrieb in der Industrie nicht im gleichen Tempo fortsetzen dürfte.
Fazit: Die Stimmung in den deutschen Unternehmen hat sich im Juni spürbar aufgehellt. Der ifo-Geschäftsklimaindex kletterte so stark wie noch nie auf 86,2 Punkte. Vor allem die Geschäftserwartungen haben einen deutlichen Sprung nach oben gemacht, aber auch die Einschätzung der aktuellen Lage verbesserte sich. Neben der Rücknahme vieler Beschränkungen haben sicher auch die vielfältigen Stützungsmaßnahmen von Geld- und Fiskalpolitik die Unternehmen neue Zuversicht schöpfen lassen. Der Pandemieverlauf – sowohl im Inland als auch bei wichtigen Handelspartnern – ist aber entscheidend für Ausmaß und Tempo der konjunkturellen Erholung. Eine zweite Welle ist und bleibt das größte Risiko!