ZEW-Umfrage: Tiefpunkt ist durchschritten, Experten setzen auf Erholung - Nord LB Kolumne
Heute Vormittag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im Juni hat sich die Konjunkturstimmung unter den Finanzmarktexperten deutlich verbessert. Im Vergleich zum Vormonat kletterten die Konjunkturerwartungen für Deutschland nochmals deutlich von 51,0 auf 63,4 Saldenpunkte, was den höchsten Stand seit über 14 Jahren darstellt. Dies muss aber natürlich im Zusammenhang mit der weiterhin sehr schlechten aktuellen Lage beurteilt werden.
Allerdings hat sich unter den Finanzexperten im Berichtsmonat Juni auch die Lagebeurteilung erstmals seit dem Jahresanfang wieder verbessert. Die Lagekomponente kletterte um immerhin gut zehn Saldenpunkte auf -83,1 Punkte. Dies stellt zwar noch immer einen historisch schlechten Wert dar, gleichwohl scheint sich auch diesbezüglich die Stimmung der befragten Experten zu drehen.
Diese Einschätzung passt zu den jüngsten Signalen hochfrequenter Konjunkturindikatoren, die erste leichte Verbesserungen im Mai nach einem durchweg desaströsen April andeuten. Die abnehmenden Corona-Fallzahlen und die zunehmenden Lockerungen der Eindämmungsmaßnahmen waren die Grundlage für eine wirtschaftliche Bodenbildung. Bereits im Mai scheint der konjunkturelle Tiefpunkt in Deutschland durchschritten und der Beginn der Erholung eingeläutet zu sein. Für das zweite Quartal ist zwar weiterhin mit dem stärksten BIP-Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg zu rechnen, es könnte jedoch nicht ganz so desaströs ausfallen wie dies vor einigen Wochen noch zu befürchten war. Dennoch ergibt sich für das Gesamtjahr 2020 mit einem BIP-Minus von voraussichtlich rund -7% ein Konjunktureinbruch wahrhaft historischen Ausmaßes.
Bei aller Hoffnung auf eine zügige Belebung: Die Pandemie bleibt der bestimmende Faktor für die gesamtwirtschaftliche Aktivität, und hieran wird sich vor Verfügbarkeit eines Impfstoffes auch nichts ändern. Jüngste Meldungen zu einem möglichen Wiederaufflammen des Infektionsgeschehens aus den USA und China belegen, wie fragil die Lage derzeit noch ist. An den Kapitalmärkten hatte dies – gemeinsam mit relativ pessimistischen Äußerungen der führenden Zentralbanken zum Wirtschaftsausblick – zu einer deutlichen Korrektur beigetragen. Ganz offensichtlich war an den Finanzmärkten zwischenzeitlich schon zu viel Optimismus eingepreist worden.
Sofern eine zweite Welle ausbleibt, ist aber eine deutliche Erholung im zweiten Halbjahr zu erwarten. Hierzu tragen auch die massiven Unterstützungsmaßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik bei. Insofern ist auch die Einigung der Bundesregierung auf ein Konjunkturprogramm sehr zu begrüßen. Sicherlich sind einzelne Elemente auch kritisch zu diskutieren. So ist bei der Mehrwertsteuersenkung nicht gesichert, dass hierdurch hinreichend starke Preissenkungen ausgelöst werden, um Konsumenten in einem unsicheren Umfeld kurzfristig zu größeren Anschaffungen zu bewegen. Bei aller Kritik an Einzelmaßnahmen: Eine faire Bewertung muss das Paket der Bundesregierung in seiner Gesamtheit in den Blick nehmen. Das Konjunkturprogramm beinhaltet viele kluge Elemente und vor allem ist das Volumen hinreichend hoch, um das Rad wieder ins Rollen zu bringen.
Fazit: Die ZEW-Konjunkturerwartungen haben sich im Juni auf den höchsten Wert seit gut 14 Jahren verbessert. Parallel beurteilen die befragten Finanzmarktexperten auch die aktuelle Lage etwas weniger pessimistisch als noch im Mai. Diese Ergebnisse passen zu den jüngsten Signalen anderer Indikatoren, wonach der konjunkturelle Tiefpunkt bereits durchschritten zu sein scheint. Die Erholung dürfte sich auch dank der vielfältigen staatlichen Stützungsmaßnahmen im zweiten Halbjahr fortsetzen, sofern eine zweite Welle vermieden werden kann. Jüngste Meldungen aus den USA und China hierzu haben für Unruhe gesorgt und mahnen Marktteilnehmer, nicht völlig sorglos alles auf die Karte Optimismus zu setzen.