Eurozone: Lockdown verursacht im April historischen Stimmungseinbruch - Nord LB Kolumne
Soeben hat die Europäische Kommission aktuelle Daten zu ihrer monatlichen Verbraucher- und Unternehmensumfrage in der Eurozone (sowie der gesamten Europäischen Union) veröffentlicht. Im Berichtsmonat April ist die Wirtschaftsstimmung infolge des harten Lockdowns in vielen Mitgliedsländern dramatisch eingebrochen. Der breit gefasste Economic-Sentiment-Indikator (ESI) erlitt den stärksten Monatsrückgang aller Zeiten und ist von 94,2 auf nur noch 67,0 Punkte abgesackt. Damit wurde bei dieser Zeitreihe in Rekordgeschwindigkeit bereits annähernd der historische Tiefpunkt erreicht, der während der globalen Finanzkrise im März 2009 markiert wurde (65,5 Punkte).
Der Kollaps der Wirtschaftsstimmung vollzog sich mehr oder weniger synchron in allen großen Volkswirtschaften. Besonders deutlich ging es in den Niederlanden (-32,2 auf 65,6 Punkte) sowie in Spanien (-26,5) abwärts, aber auch die Wirtschaft in Deutschland (-19,9) und Frankreich (-16,3) befindet sich in einer Schockstarre. Die Vergleichbarkeit zwischen den Ländern ist zudem deutlich eingeschränkt, da die Rücklaufquote bei den Umfragen wegen der Eindämmungsmaßnahmen unterschiedlich, insgesamt aber deutlich geringer als üblich ausfiel. In Italien konnten sogar für den April überhaupt keine Daten erhoben werden. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass die Aprildaten noch nicht das vollständige Ausmaß der Katastrophe wiedergeben.
Auch in sektoraler Betrachtung ist ein Kollaps des Sentiments auf breiter Front festzustellen. Dramatisch schlecht ist die Stimmung der Dienstleistungsunternehmen (-35,0 Punkte) sowie im Einzelhandel (-28,3) und der Industrie (-30,4). Einzig das Vertrauen in der Bauwirtschaft ist nicht völlig kollabiert, ging aber ebenfalls von 2,3 auf -12,8 Punkte kräftig abwärts. Über alle Branchen hinweg ist eine massive Verschlechterung der Beschäftigungserwartungen festzustellen, so dass recht zügig schlechtere Arbeitsmarktdaten zu erwarten sind. Entsprechend markant fiel auch der Rückgang des Verbrauchervertrauens in der Eurozone aus. Hier ist die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz im April erheblich gewachsen und hat den Gesamtindex auf -22,7 Punkte gedrückt.
Der beispiellose Einbruch der Wirtschaftsstimmung bestätigt leider unsere Erwartungen, wonach diese Krise die Gesamtwirtschaft in ihrer ganzen Breite erfasst und im ersten Halbjahr ein massiver BIP-Rückgang zu verzeichnen sein wird. Belgien hat bereits heute für das erste Quartal einen Rückgang des BIP um -3,9% Q/Q gemeldet, ein Fingerzeig für die Eurozone. Dies ist jedoch leider erst ein bitterer Vorgeschmack für den Rückgang im laufenden zweiten Quartal, der so stark wie noch nie seit dem zweiten Weltkrieg ausfallen und im zweistelligen Prozentbereich liegen dürfte.
Die Indikatoren der EU-Kommission werden sowohl von der Politik als auch der EZB stark beachtet. Angesichts der Dramatik des Einbruchs, den schlechten Beschäftigungsaussichten und erheblich rückläufigen Preiserwartungen der Unternehmen baut sich ein deflationäres Potenzial auf, das sowohl von der Fiskalpolitik als auch der Geldpolitik weitere Gegenmaßnahmen erfordert. Ob die EZB sich hierzu allerdings bereits morgen wird durchringen können, ist aus zwei Gründen ungewiss. Zum einen steht noch das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der EZB aus. Zum anderen könnten sehr forsche Beschlüsse der EZB zu sehr den Druck auf die Fiskalpolitik reduzieren, ihren Beitrag im notwendigen Ausmaß und zügig auf den Weg zu bringen.
Fazit: Die Wirtschaftsstimmung in der Eurozone ist im April so dramatisch eingebrochen wie noch nie seit dem Beginn der Erhebung. In allen großen Volkswirtschaften kam es zu einem Absturz des Sentiments auf breiter Front. Parallel haben sich die Beschäftigungsperspektiven massiv verschlechtert. Im ersten und vor allem zweiten Quartal droht ein beispielloser BIP-Rückgang, im Gesamtjahr 2020 droht der Eurozone ein Einbruch der realen Wirtschaftsleistung um mehr als 8%. Fiskalpolitik und EZB sind dringend gefordert, weitere Schritte zur Stabilisierung der europäischen Wirtschaft zu ergreifen.