ZEW-Umfrage: Hoffen auf zügige Erholung – Folge des Lockerungsdiskurses? - Nord LB Kolumne
Heute Vormittag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im April sind erwartungsgemäß die Coronavirus-Pandemie und ihre ökonomischen Folgen das vorherrschende Thema bei den Finanzmarktexperten. So bestätigt die Umfrage grundsätzlich das Bild eines dramatischen Einbruchs der wirtschaftlichen Aktivität am aktuellen Rand. Im Vergleich zum Vormonat – als das ganze Ausmaß der Krise noch nicht von allen Teilnehmern überblickt worden sein dürfte – ergibt sich aber eine deutliche Akzentverschiebung bei den abgegebenen Antworten.
Die Komponente für die aktuelle Lage ist nochmals eingebrochen und notiert mit -91,5 Saldenpunkten auf dem tiefsten Stand seit Mitte 2009. Dies liegt auch vom Ausmaß her im Rahmen unserer Erwartungen. Überraschend ist am ehesten, dass trotz des heftigen Wachstumseinbruchs noch immer 8% der befragten „Experten“ die aktuelle Lage mit „gut“ oder „zufriedenstellend“ bewerten.
Die Konjunkturerwartungen für Deutschland sind am aktuellen Rand hingegen regelrecht nach oben geschossen, von zuvor -49,5 auf +28,2 Saldenpunkte. Die heute gemeldeten Daten des ZEW passen zum Kursverlauf des DAX in den letzten Wochen, der einen Teil des zwischenzeitlichen Absturzes inzwischen wieder wettmachen konnte und auch heute über 10.300 Punkten notiert. Für die gesamte Eurozone ergibt sich ein ähnliches Stimmungsbild der Befragten wie für Deutschland.
Die größte Korrektur nahmen die Umfrageteilnehmer bei der Einschätzung der aktuellen Konjunkturlage für die USA vor. Hier ging es um 86,6 Saldenpunkte abwärts auf -91,4 Punkte. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass vor einem Monat – während die Pandemie in weiten Teilen Europas bereits tobte – noch die Hoffnung herrschte, die USA könnten vergleichsweise glimpflich um die globale Pandemie herumkommen. Inzwischen hat jedoch selbst Donald Trump seine anfängliche Verharmlosungsstrategie aufgegeben und ging zum altbekannten Schwarze-Peter-Spiel über.
Die deutliche Verbesserung der Konjunkturerwartungen fällt zeitlich zusammen mit den ersten Lockerungen der recht strikten Maßnahmen zur Pandemieeindämmung, was zumindest mit einer etwas höheren wirtschaftlichen Aktivität als im harten Lockdown einhergehen dürfte. Zudem nahm in den letzten Tagen die Diskussion an Fahrt auf, welche Einschränkungen als nächstes aufgehoben werden könnten, was nicht zuletzt von der Bundeskanzlerin gestern heftig kritisiert worden war. Wir sehen hierin jedoch nicht die Ursache für den Anstieg der Konjunkturerwartungen, dies dürfte fast ausnahmslos Folge einer üblichen Verschiebung zwischen den Teilkomponenten geschuldet sein. Inzwischen geht die überwiegende Zahl von Analysten und Volkswirten für das erste Halbjahr von einem beispiellosen wirtschaftlichen Einbruch aus. Wenn die Lage als desaströs beurteilt wird, reicht die Aussicht auf eine teilweise Normalisierung für die Erwartung einer Lageverbesserung. Hierauf setzen Marktteilnehmer und Volkswirte gerade mehrheitlich. Grundvoraussetzung hierfür ist eine allmähliche Lockerung, die jedoch nicht die bisher erzielten Erfolge bei der Pandemieeindämmung gefährden und eine zweite Welle riskieren darf. Dies wird ein Ritt auf der Rasierklinge.
Fazit: Die ZEW-Umfrage bestätigt im April das Bild eines dramatischen Einbruchs der wirtschaftlichen Aktivität infolge der Pandemie. Allerdings haben sich erwartungsgemäß Verschiebungen zwischen der Erwartungs- und Lagekomponente ergeben. Das Abrutschen der Lagebeurteilung auf -91,5 Saldenpunkte relativiert den auf den ersten Blick erfreulichen Anstieg der Konjunkturerwartungen auf +28,2 Punkte. Die deutsche Wirtschaft stürzt im ersten Halbjahr so stark wie noch nie in Friedenszeiten ab, die Hoffnung ruht auf einer zügigen Belebung durch sukzessive Lockerungen der strikten Maßnahmen zur Pandemieeindämmung. Dieser Weg wird jedoch schwierig und ist mit dem Risiko eines Rückfalls verbunden.