Deutscher Arbeitsmarkt: Offizielle Märzzahlen spiegeln aktuelle Krise noch nicht wider - Nord LB Kolumne
Die Arbeitsmarktstatistik der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) für den Berichtsmonat März fiel überraschend aus. Entgegen der allgemeinen Erwartung, dass sich der weitgehende Lockdown der deutschen Wirtschaft zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie auch schon in einer spürbaren Zunahme der Arbeitslosigkeit niederschlagen sollte, hat sich zumindest im abgelaufenen Monat so noch nicht bestätigt. Die Zahl der Arbeitslosen nahm saisonal bereinigt marginal um 1.000 zu, womit die saisonbereinigte Arbeitslosenquote unverändert bei 5,0% verharrte.
Die häufig in Medien und der Öffentlichkeit stärker beachtete saisonal nicht korrigierte Quote verringerte sich im Rahmen der üblichen Frühjahrsbelebung auf 5,1%. Gegenüber dem Vormonat nahm die Zahl der Arbeitslosen unbereinigt um 60.000 auf 2,335 Mio. Personen ab. Die Erwerbstätigkeit und die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hatten im Februar – aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor – ebenfalls weiter zugelegt. So waren im Februar unter Ausschaltung saisonaler Einflüsse 18.000 Personen mehr erwerbstätig als im Januar.
Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit der offiziellen Beschäftigungsstatistik, die offiziellen Zahlen spiegeln die Krisenverschärfung im Zuge der Coronavirus-Pandemie noch nicht wider. Da der Zähltag für die Statistik auf dem 13. März und damit vor der Verschärfung der Corona-Krise lag, wird sich frühestens im April ein Effekt auch in den Arbeitsmarktzahlen abbilden.
Die Dramatik, mit der sich ab Mitte März auch für den deutschen Arbeitsmarkt die Lage fundamental verändert hat, wird durch den beispiellosen Anstieg der Zahl von Anzeigen auf Kurzarbeit deutlich. Demnach sind in der Woche bis zum 20. März gut 76.000 Anzeigen von Unternehmen eingegangen, verglichen mit durchschnittlich 600 Anzeigen pro Woche im Jahr 2019. Geht man von einer durchschnittlichen Zahl von 40 betroffenen Mitarbeitern je Anzeige aus, wird demnach die Kurzarbeit auf über drei Millionen springen, zumal sicher weitere Anzeigen seither eingegangen sind.
Auch die bislang verfügbaren Frühindikatoren – wie das ifo-Beschäftigungsbarometer oder die Beschäftigungskomponenten bei den Konjunkturumfragen – signalisieren eine spürbare Verschlechterung des Arbeitsmarkts, was angesichts der Tiefe des konjunkturellen Einbruchs nicht verwundert. Die Dämpfung der Krisenfolgen für den Arbeitsmarkt über das Instrument Kurzarbeit ist sehr wichtig und zielführend, ebenso wie die anderen bereits vom Gesetzgeber auf den Weg gebrachten Sofortmaßnahmen zur Krisenbewältigung. Gleichwohl wird keine vollständige Immunisierung des Arbeitsmarktes gelingen. Da die Maßnahmen zur Reduktion physischer Kontakte im Interesse einer Eindämmung der Coronavirus-Epidemie noch einige Zeit in Kraft bleiben dürften, ist von einem beispiellosen Einbruch der realen Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr auszugehen. Wir rechnen aktuell mit einem BIP-Rückgang für 2020 von 7,8%, wobei schon ein deutlicher Aufholprozess für das zweite Halbjahr unterstellt wird. Den deutschen Arbeitsmarkt wird dieser Sturm nicht umwerfen, auf einen rauen Gegenwind wird man sich aber in den kommenden Monaten einstellen müssen.
Fazit: Der deutsche Arbeitsmarkt scheint auf den ersten Blick im März noch recht stabil geblieben zu sein. Die Zahl der Arbeitslosen nahm saisonbereinigt nur um 1.000 zu, die entsprechende Quote blieb bei 5,0%. Allerdings beziehen sich diese Daten auf die Zeit bis zum 13. März. Die nachfolgende Krisenverschärfung wird sich somit erst in den Aprilzahlen niederschlagen. Der dramatische Anstieg der Zahl von Anzeigen auf Kurzarbeit und die zuletzt veröffentlichten Frühindikatoren sprechen eine eindeutige Sprache. Geld- und Fiskalpolitik müssen alles tun, um dauerhafte Folgen der größten Krise in Friedenszeiten so weit wie möglich zu vermeiden. Hier wird man dem Verlauf der Pandemie entsprechend sicher in den kommenden Wochen immer wieder auch nachjustieren müssen.