„Nach dem Brexit sei vor den Nach-Brexit-Verhandlungen” - Börse München Kolumne
Anleger feiern geringere Unsicherheit: Nach einem schwächeren Wochenstart haben die deutschen Aktienbörsen in der vergangenen Handelswoche zugelegt. Zum einen trieben die zunehmenden Hoffnungen auf ein zu Ende der Woche dann tatsächlich geschlossenes Teilabkommen im Handelsstreit zwischen den USA und China die Kurse. Und auch der klare Wahlsieg der Tories von Boris Johnson in Großbritannien kam bei den Anlegern gut an. Zu erklären war diese damit, dass nun bei einem Thema, das die Märkte seit langem beschäftigt, ebenso mehr Klarheit herrscht wie dies auch in Bezug auf den Handelskonflikt der Fall ist. In Folge dessen nehme die seit einer gefühlten Ewigkeit herrschende Unsicherheit an den Börsen spürbar ab, sagten Marktteilnehmer.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) stieg im Wochenvergleich um 0,9 Prozent auf 13.282,72 Punkte. Gegen den Trend abwärts ging es allerdings beim Indexwert Wirecard. Beobachter führten dies zum einen auf einen erneut kritischen Bericht der Financial Times, vor allem aber auf Leerverkäufe zurück. Spekulanten würden auf fallende Kurse bei dem Zahlungsdienstleister wetten, hieß es. Der MDax verzeichnete am Freitag im Handelsverlauf ein neues Rekordhoch, konnte dieses letztlich aber nicht halten. Im Wochenvergleich kletterte er um 1,6 Prozent nach oben auf 27.772,98 Zähler. Der Tec-Dax, der zuletzt oft erheblich besser tendiert hatte als der Gesamtmarkt, gab im Wochenvergleich 0,2 Prozent auf 3.049,40 Punkte ab. Der m:access All-Share verbesserte sich um 0,4 Prozent auf 2.543,88 Zähler. Deutlich überdurchschnittlich legten dabei die Titel des Technologieanbieters EQS Group zu, die auf Wochensicht ein Plus von über 5 Prozent verbuchen konnten.
An den deutschen Anleihemärkten haben die Kurse in der vergangenen Woche teils erheblich geschwankt. Impulsgeber waren hier vor allem die jeweiligen Neuigkeiten in Sachen Handelskonflikt sowie die Wahl in Großbritannien. Zeitweise belasteten dabei die größere Klarheit hinsichtlich der politischen Verhältnisse und eine damit einhergehende höhere Risikoneigung der Anleger die Bundespapiere. Am Freitag lag die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihe aber gegenüber ihrem Vorwochenschlussstand unverändert bei -0,29 Prozent. Die Umlaufrendite dagegen zog von -0,32 auf -0,26 Prozent an.
An den US-Aktienbörsen sorgte die geringere Unsicherheit bei den beiden politischen Themen Handelskonflikt und Brexit für steigende Notierungen. Der Dow-Jones-Index rückte im Wochenvergleich um 0,4 Prozent auf 28.135,38 Punkte vor. Der breiter gefasste S&P-500-Index legte um 0,7 Prozent auf 3.168,80 Zähler zu. Der technologielastige Nasdaq-100-Index gewann 1,1 Prozent auf 8.487,71 Punkte.
Ausblick
Nach Ansicht etlicher Analysten könnte es in der aktuellen Woche, der letzten vollständigen Handelswoche des Jahres, erneut aufwärts gehen. Das Teilabkommen zwischen den USA und China sowie die klaren Verhältnisse in Großbritannien, gepaart mit der Aussicht auf weiterhin billiges Geld durch die Europäische Zentralbank, könnten ein ideales Umfeld für eine „Jahresendrally“ bieten, heißt es. Allerdings gibt es auch zurückhaltendere Stimmen. Diese weisen darauf hin, dass mit der aktuellen Einigung zwischen den USA und China zwar ein wenig Ruhe einkehre, wichtige Streitfragen aber weiterhin ungelöst seien. Und mit Blick auf Großbritannien weisen die skeptischer gestimmten Marktbeobachter auf die noch anstehenden Aufgaben hin. Nach dem Brexit sei vor den Nach-Brexit-Verhandlungen, sagte beispielsweise ein Analyst der Commerzbank.
Auf jeden Fall aber könnten Konjunkturdaten wieder etwas in den Vordergrund rücken, nachdem lange die Politik die marktbewegenden Impulse geliefert hatte. In den kommenden Tagen stehen hier aus der Eurozone vor allem die Einkaufsmanagerindizes und aus Deutschland das Ifo-Geschäftsklima und das GfK-Konsumklima im Fokus. Dabei werden die Anleger bei den beiden Erstgenannten vor allem darauf achten, ob diese neue Hinweise auf eine Stabilisierung der Industrie liefern. Aus den USA kommen unter anderem die persönlichen Einkommen und Ausgaben, Zahlen zur Industrieproduktion, das Verbrauchervertrauen sowie Daten zum Immobilienmarkt. In Großbritannien wiederum gibt die Bank of England das Ergebnis ihrer Ratssitzung bekannt. Spannend dürften hier vor allem die Konjunktureinschätzungen sein, mit einer Zinsänderung wird nicht gerechnet.
Am Freitag steht dann der Große Verfall an den Terminmärkten auf der Agenda, der sogenannte Hexensabbat. An und vor diesem Datum kommt es oftmals zu stärkeren, aus der Nachrichtenlage kaum erklärbaren Kursausschlägen, wenn große Investoren versuchen, die Kurse in die gewünschte Richtung zu bewegen.
Ausgewählte wichtige Termine der Woche
Montag, 16.12.: Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland und der Eurozone; Dienstleistungsindizes für Deutschland und die Eurozone; Markit PMI Gesamtindex (USA); New York Empire State Index (USA); Industrieproduktion in China
Dienstag, 17.12.: Handelsbilanz der Eurozone; Industrieproduktion in den USA; Baubeginne und -genehmigungen in den USA
Mittwoch, 18.12.: Ifo-Geschäftsklimaindex (Deutschland); Erzeugerpreise in Deutschland; Verbraucherpreise in der Eurozone; US-Hypothekenanträge
Donnerstag, 19.12.: Ergebnis der Ratssitzung der Bank of England; Philadelphia Fed Herstellungsindex (USA); Verkäufe bestehender Häuser in den USA
Freitag, 20.12.: GfK-Verbrauchervertrauen (Deutschland); Großer Verfallstermin an den Terminbörsen („Hexensabbat“); Bruttoinlandsprodukt der USA; Persönliche Einkommen und Konsumausgaben in den USA; US-Verbrauchervertrauen der Universität Michigan
Autor: Dr. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG