USA: Quintessenzen aus Powells Vortrag und den Minutes! - Nord LB Kolumne
Zwei Ereignisse haben gestern für großes Interesse auf den Kapitalmärkten gesorgt: Zunächst sprach Fed-Präsident Jerome Powell um 16:00 Uhr MESZ vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses, anschließend folgte um 20:00 Uhr MESZ die Veröffentlichung des FOMC-Sitzungsprotokolls (Minutes) vom 19. Juni. Von beiden Events versprachen sich die Marktteilnehmer im Vorfeld Hinweise auf die zu erwartenden geldpolitischen Schritte der Federal Reserve in der näheren Zukunft. Stärkere Konjunkturdaten hatten zuletzt wieder Zweifel aufkommen lassen, wie sicher überhaupt eine baldige Zinssenkung ist.
Powell nutzte die Gelegenheit, die Markterwartungen zu lenken. Er tat es insofern, als dass er Gründe für einen Zinsschritt nannte – und kaum Argumente für ein Abwarten. Er sprach zwar zunächst von einem ordentlichen Wachstum in der ersten Jahreshälfte, betonte allerdings, dass sich zuletzt die Aktivität verlangsamt habe, die Aussichten verschlechtert hätten und die Inflationsrate unter dem Zielbereich der Fed liege. Powell fokussierte auf die Entwicklungen in den vergangenen beiden Monaten, in denen er zunehmende Gegenwinde für die US Konjunktur ausmachen konnte.
Bemerkenswerterweise erwähnte Powell weder den Ende Juni ausgehandelten „Waffenstillstand" im Handelskonflikt noch den letzten Arbeitsmarktbericht. Auf die soliden Beschäftigungszahlen in der Q&A-Runde angesprochen erwiderte er, diese hätten die Einstellungen der Fed nicht verändert. Zudem betonte er Themen, die eigentlich eher von der amerikanischen Regierung und weniger von der Zentralbank gelöst werden müssten: Konjunkturrisiken ausgehend von bestehenden sozialen Ungleichheiten in den USA sowie von den ausufernden Staatsschulden. Außerdem erwähnte er wiederholt die Abschwächung der globalen Konjunktur als wichtigen Faktor – was in früheren Zeiten nicht unbedingt der entscheidende Beweggrund für die Fed war. Letztlich erschien sein Vortrag durchweg dovish – jedenfalls fielen keine hawkishen Elemente auf.
Der von US Präsidenten Donald Trump kritisierte Notenbankerchef zählt vor allem die Gründe für einen möglichen Zinsschritt auf, die Trump (mit) zu verantworten hat: Die globale Konjunkturabschwächung im Zuge der Verunsicherungen durch den Handelskonflikt. Der höchste Notenbanker sieht sich nun also offenbar unter Zugzwang, weil die Regierung das Problem globale Verunsicherung nicht aus der Welt schafft – obwohl diese eigentlich selbst ein Auslöser der Entwicklung ist!
Das Protokoll der letzten FOMC-Sitzung lieferte ähnliche Signale, die für eine baldige Zinssenkung sprechen. „Mehrere" Notenbanker sahen einen solchen Zinsschritt als „Insurance Cut", „einige" Notenbanker waren von der niedrigen Inflationsrate beunruhigt, „einige wenige" verwiesen auf die niedrigen Inflationserwartungen und strebten eine Inflationsrate von nachhaltig über 2% an. Nur „wenige" betonten, es gebe noch keine „schlagenden Argumente" für eine Zinssenkung, die zudem zu Übertreibungen mit entsprechenden Risiken führen könne. Insgesamt scheinen auch die Minutes auf einen Zinsschritt hinzudeuten.
Es stellt sich damit die Frage nach der Höhe der nun durchaus wahrscheinlichen Zinssenkung. Historisch gehen bestehen „Insurance Cuts" eher aus nur 25bp, außer es herrscht bereits Panik an den Märkten – was sicherlich derzeit nicht der Fall ist. Sollten die Gremiumsmitglieder wieder vor die Kurve kommen wollen, wären dagegen 50bp ratsam. Dies könnte aber zur Folge haben, dass die Märkte noch beunruhigter reagieren, da die Federal Reserve offenbar selbst starke Zweifel an der Konjunkturstabilität zu haben scheint. Da in den letzten Projektionen zwei Gruppen von Notenbankern auszumachen waren, die (in 2019) entweder für ein Abwarten oder für eine Zinssenkung um 50bp plädierten, könnte eine Einigung bei zunächst 25bp wohl am besten erzielt werden.
Fazit: Gestern lieferten der Vortrag Powell vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses und die Veröffentlichung des Protokolls der letzten FOMC-Sitzung wichtige Erkenntnisse für die zukünftige US Geldpolitik. Powell nutzte nicht die Chance, die Kapitalmärkte auf ein weiteres Abwarten einzustimmen – im Gegenteil. Er betonte stattdessen die globalen Verunsicherungen (durch die Handelskonflikte), die auch die Konjunkturaussichten der USA belasten würden. Auch die Minutes offenbarten, dass die Notenbanker kaum Gründe für ein weiteres Abwarten gelten ließen. Eine baldige Zinssenkung ist damit wahrscheinlich.