Was eine EZB-Präsidentin Lagarde für die zukünftige Geldpolitik bedeutet - Nord LB Kolumne
Der Europäische Rat hat sich auf ein neues Personaltableau einigen können. So soll die derzeitige deutsche Verteidigungsministerin an die Spitze der EU-Kommission wechseln. Der französische Präsident Macron hat sich damit durchgesetzt und den EVP-Spitzenkandidaten Weber verhindert. Ausgemacht ist die Wahl von der Leyens aber nicht, da sich im EU-Parlament Widerstand gegen das Verfahren und insbesondere die Aushebelung des Spitzenkandidatenprinzips formiert. Macron hatte in weiser Vorausschau keinen eigenen Kandidaten ins Feuer gestellt.
Frankreich wiederum hat sich im Rennen um die Nachfolge Mario Draghis durchgesetzt: Christine Lagarde soll neue EZB-Präsidentin werden. Lagarde hat zwar keine ökonomische Ausbildung, weshalb EZB-Chefvolkswirt Philip Lane noch mehr an Einfluss gewinnen könnte. Allerdings bringt Lagarde große Managementerfahrung aus ihrer Zeit als französische Finanzministerin und als IWF-Chefin seit 2011 mit. Damit war sie seit der Finanzkrise stets in entscheidenden politischen Positionen tätig und u.a. für die IWF-Maßnahmen während der Eurokrise verantwortlich.
Bezogen auf die bisherige EZB-Geldpolitik hat sie sich in den vergangenen Jahren hin und wieder geäußert. Grundsätzlich hat sie die expansive Ausrichtung der EZB und auch den Einsatz unkonventioneller Maßnahmen (OMT, QE) befürwortet. Ihr wird daher ein gewisses Maß an Pragmatismus unterstellt, was ihr gerade im Vergleich zu Jens Weidmann die Unterstützung der südeuropäischen Eurostaaten gesichert haben dürfte. Andererseits war sie es, die bei dem letzten Griechenlandpaket energisch die IWF-Position verteidigt hatte, wonach für weitere Hilfen ein Schuldenschnitt erforderlich sei, da die Schuldenlast als nicht tragfähig angesehen wurde.
Grundsätzlich steht Lagarde für Kontinuität im Sinne Draghis sehr expansiver Geldpolitik. Mögliche Restunsicherheit über Lagardes Ausrichtung könnte den Druck auf den EZB-Rat erhöhen, noch vor ihrem Amtsantritt neue Maßnahmen vorzubereiten. Zudem würde es Lagardes Start vereinfachen, wenn sie nicht als erste Amtshandlung Fragen nach neuen Zinssenkungen und den Wiedereinstieg ins QE klären muss. Wir rechnen daher spätestens im September mit einer weiteren Senkung des Einlagesatzes um 10 Basispunkte auf dann -0,50%. Zudem dürften die Planungen für ein neues QE-Programm in der EZB vorangetrieben werden. Dies ist auch die Erwartung an den Finanzmärkten: Heute fiel die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen erstmals auf -0,40% und damit den aktuellen Stand des Einlagesatzes.
Die Nominierung Lagardes ist kurzfristig ein expansives Signal an die Märkte. Die Unabhängigkeit der EZB hat die Politik jedoch nicht gestärkt, da die fachliche Eignung nicht ausschlaggebend war und zusammen mit dem Vizepräsidenten de Guindos dann beide Führungsposten der EZB mit ehemaligen Politikern besetzt sind. Allerdings wird Frau Lagarde aus unserer Sicht die unabhängige Rolle der EZB verteidigen, ihre Durchsetzungsfähigkeit hat sie mehrfach unter Beweis gestellt. Zudem wird sie vielleicht noch intensiver und überzeugender als Mario Draghi einen Beitrag der Fiskalpolitik zur makroökonomischen Stabilisierung einfordern können. Ob sie damit Erfolg hat und langfristig so zumindest etwas Druck von der EZB genommen werden kann, ist jedoch alles andere als ausgemacht. Vorerst bleiben die Zinsen auch unter Lagarde extrem niedrig.
Fazit: Die bisherige IWF-Chefin Christine Lagarde soll im November Nachfolgerin Mario Draghis und EZB-Präsidentin werden. Dass es auf einen französischen Kandidaten hinausläuft, hatten wir erwartet, die Personalie Lagarde war allerdings dann doch überraschend. Inhaltlich dürfte Lagarde für Kontinuität im Sinne Draghis Geldpolitik stehen. Die Märkte werteten die Nominierung denn auch als expansives Signal. Noch vor Amtsantritt dürfte der EZB-Rat neue Maßnahmen auf den Weg bringen. Ob es Lagarde gelingen wird, langfristig den Druck auf die EZB zu verringern und die Fiskalpolitik stärker in die Pflicht zu nehmen, ist offen. Vorerst spricht viel für ein anhaltendes, extrem niedriges Zinsniveau.