Börse: Erstes Halbjahr 2019 mit vielen gegenläufigen Signalen - J.P. Morgan AM Kolumne
Das erste Halbjahr 2019 präsentierte sich mit einigen extremen Ausprägungen, sowohl im Positiven als auch im Negativen: Im Januar wurde die stärkste Aktienrally seit 1987 für einen Januar verzeichnet und es gab die niedrigste Anzahl wöchentlicher Anträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA seit 1969. Auch können wir nun auf den längsten Wirtschaftsaufschwung in der Geschichte der USA blicken. In diesen Zeitraum fiel aber auch die bisher niedrigste Rendite deutscher Bundesanleihen überhaupt. Und auch sonst zeigt sich ein durchwachsenes Gesamtbild mit den schwächsten Konjunkturdaten im verarbeitenden Gewerbe in der Eurozone seit dem Ausbruch der Euro-Krise 2012, einer sehr flachen US-Zinskurve sowie den höchsten Zöllen seit 50 Jahren. „Der Handelsstreit wirkt sich spürbar auf die Kapitalmärkte und die globalen Wirtschaftsaussichten aus“, betont Jakob Tanzmeister, Investment Specialist in der Multi-Asset Solutions Gruppe bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt.
Insgesamt gehen die Multi-Asset-Experten in den kommenden zwölf Monaten weiter von einem positiven, aber wenig spektakulären globalen Wachstum bei einer geringen Wahrscheinlichkeit einer Rezession aus. „Unsere Hoffnungen auf eine starke Belebung der Wirtschaftsaktivität in der zweiten Jahreshälfte schwinden jedoch – dies ist insbesondere auf den Handel sowie durch die Verunsicherung zurückgehaltene Investitionen zurückzuführen. So könnte das globale Wachstum im Gesamtjahr 2019 insgesamt etwas unterhalb des Trendniveaus liegen“, sagt Tanzmeister. Zwar seien die Rezessionsrisiken inzwischen höher als zu Beginn des Jahres, was beispielsweise die invertierte US-Zinskurve verdeutlicht. „Angesichts des robusten Arbeitsmarkts und der stabilen Finanzlage der Privathaushalte besteht jedoch mittelfristig nur ein relativ geringes Risiko eines tatsächlichen Wachstumsrückgangs – zumindest auf Grundlage der Wirtschaftsdaten. Langfristig könnte das Rezessionsrisiko jedoch gleichwohl weiter steigen“, so der Experte.
Als größtes Risiko sieht Tanzmeister dabei den Handelsstreit an: „Eine Eskalation würde die globalen Wirtschaftsaussichten deutlich gefährden.“ Er erwartet, dass selbst wenn ein baldiges Handelsabkommen bevorsteht, dies wahrscheinlich begrenzt sein wird. Noch unwahrscheinlicher sei es, dass damit die jüngst offen zutage getretenen strategischen Unstimmigkeiten zwischen Washington und Peking aus der Welt geschaffen werden können.
Der Ausblick auf die Geldpolitik habe sich dagegen deutlich entspannt, auch wenn sich die Leitzinsen selbst noch nicht bewegt haben. Die gemäßigtere Haltung der US-Notenbank (Fed) sei unter anderem auf das Risiko eines negativen Wachstumsschocks zurückzuführen, aber auch auf die schwachen Inflationsdaten in diesem Jahr. „Die Erwartungshaltung bezüglich der Zinsentwicklung hat seit letztem Jahr eine komplette Richtungsänderungvollzogen, und die Märkte preisen zurzeit die schnellsten Zinssenkungen seit über 30 Jahren ein. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass der Markt vor nur sechs Monaten noch Zinserhöhungen einpreiste und die gemäßigtere Grundhaltung der Fed in den USA mit dem stärksten BIP im ersten Quartal seit vier Jahren zusammenfiel“, erläutert Tanzmeister, der auch der Ansicht ist, dass der Markt das Tempo der Zinssenkungen etwas überbewertet.
Angesichts dieser eher verhaltenen Stimmung und der späten Phase des Zyklus bleiben die Experten in ihrer Allokation vorsichtig und haben beispielsweise den Income-Klassiker JPMorgan Investment Funds – Global Income Fund weiterhin vergleichsweise konservativ ausgerichtet. „Aktienseitig bevorzugen wir die USA aufgrund ihrer defensiven Eigenschaften gegenüber Europa, wo sich die regionale Wirtschaft weiterhin in Schwierigkeiten befindet. Im Anleihenbereich bevorzugen wir für das Risikoengagement weiterhin Unternehmensanleihen, insbesondere Hochzinsanleihen. Das begrenzte Angebot an den Märkten für Unternehmensanleihen stimmt uns weiterhin zuversichtlich. Wir glauben, dass das aktuelle Wachstum in den USA ausreichen dürfte, damit Unternehmensanleihen akzeptable Renditen bei geringerer Volatilität als Aktien erwirtschaften können“, führt Tanzmeister aus. Chancen sieht er beispielsweise auch bei europäischen Hochzinsanleihen, wo die Risikoaufschläge noch etwas attraktiver und die Qualität der Anleihen marginal höher ist. Als Gegengewicht zu Hochzinsanleihen dienen zusätzliche Allokationen in defensivere Anleihensegemente. „Angesichts der Unsicherheit im Spätzyklus sorgt unsere Allokation in bonitätsstarke Anleihen mit kurzer Duration dafür, dass unsere Portfolios ausreichend Potenzial nach oben haben. Gleichzeitig können wir flexibel über das Kapital verfügen, das wir einsetzen können, falls wir attraktive Chancen ausmachen – ansonsten dient es als defensiver Portfolioanker in unsicheren Zeiten“, so Tanzmeister. Mit dieser Strategie konnten die Fondsmanager des Global Income Fund, Michael Schoenhaut, Eric Bernbaum und Matthew Pallai im ersten Halbjahr 2019 sogar 8,09 Prozent zulegen, für ein Jahr liegt die Entwicklung bei 3,06 Prozent.