Eurozone: Deutlicher Inflations-Rückgang im Mai erhöht Druck auf die EZB - Nord LB Kolumne
Die Inflation in der Eurozone ist im Mai deutlich gesunken. Wie die europäische Statistikbehörde Eurostat soeben mitteilte, sank die Jahresrate der Konsumentenpreise im Währungsraum nach einem deutlich erhöhten Aprilwert von 1,7% Y/Y auf nur noch 1,2% Y/Y. Auch die unter Ausklammerung volatiler Preiskomponenten (Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak) errechnete Kernrate fiel von 1,3% auf 0,8% Y/Y zurück. Damit wurde der starke Anstieg im April, der im Wesentlichen auf die Lage der Osterferien zurückzuführen war, wieder korrigiert. Insgesamt liegen die heutigen Daten im Rahmen der Erwartungen.
Bereits die vorläufigen Zahlen aus den großen Volkswirtschaften hatten diesen deutlichen Inflationsrückgang angedeutet. In Deutschland war im Mai die Jahresrate des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) von 2,1% auf 1,3% gesunken. In Frankreich, Italien und Spanien stellt sich der Preisdruck mit jeweils rund 1% Y/Y sogar noch etwas geringer dar. Die schwache Inflation ist vor allem auf den anhaltend geringen binnenwirtschaftlichen Preisauftrieb zurückzuführen. Trotz erheblicher Verbesserungen am europäischen Arbeitsmarkt – die Arbeitslosenquote ist im April auf 7,6% und damit den niedrigsten Stand seit August 2008 gesunken – und einer zuletzt etwas höheren Lohndynamik ist eine Übertragung auf die Verbraucherpreise bislang ausgeblieben.
Eine Erklärung hierfür könnte die lange Phase sehr niedriger Inflationsraten sein, woraufhin die Wirtschaftssubjekte ihre mittelfristigen Inflationserwartungen angepasst haben dürften. In den vergangenen Monaten sind die marktbasierten Inflationserwartungen (5Y5Y) stark gesunken und liegen für Deutschland und Frankreich mit gut 1,2% in der Nähe der Allzeittiefs. Dies dürfte vor allem eine Folge der hohen Risiken für die globale Konjunktur sein. Die größte Belastung ist sicher die jüngst von Donald Trump forcierte Eskalation im Handelskrieg mit China.
Die Europäische Zentralbank dürfte sich somit nachträglich bestätigt fühlen, dass sie in der ersten Jahreshälfte zurück in den Vorsichtsmodus geschaltet hat. Die heute gemeldeten Inflationsdaten für den Mai erzeugen für sich genommen zwar keinen Revisionsbedarf gegenüber den Märzprojektionen. Die niedrigen Inflationserwartungen kann die EZB jedoch nicht auf Dauer hinnehmen. EZB-Präsident Mario Draghi wird daher nicht zuletzt wegen der sich zuspitzenden Handelskonflikte mit den USA vor den Abwärtsrisiken für den Konjunktur- und Inflationsausblick warnen und ihre Handlungsbereitschaft betonen. Der Grundton dürfte daher sicher sehr dovish ausfallen. Im Fokus stehen am Donnerstag zudem die Details zur Ausgestaltung der TLTRO III sowie die Diskussion um einen möglichen Systemwechsel hin zu gestaffelten Einlagezinsen. Letzteres wäre aus Sicht der Banken in Mitteleuropa zwar wünschenswert, erscheint zumindest derzeit jedoch als wenig wahrscheinlich. Konkrete Maßnahmen über die bereits angekündigten Maßnahmen erwarten wir nicht. Auch für eine Anpassung der Forward Guidance gibt es noch keinen Druck.
Fazit: Die Inflation in der Eurozone ist im Mai deutlich gesunken. Mit einer Jahresrate von 1,2% Y/Y fällt die Teuerungsrate wieder deutlich hinter das mittelfristige Ziel der EZB von knapp 2% Y/Y zurück. Im April hatte es einen Sprung auf 1,7% Y/Y gegeben, der jedoch vor allem durch die Lage der Osterferien verzerrt war. Parallel sind die Inflationserwartungen in die Nähe der Allzeittiefs gesunken. Für die EZB wird es zunehmend ungemütlich, zumal Donald Trump seinen Handelsfeldzug gegen Freund und Feind nochmal intensiviert hat. Auch wenn am Donnerstag noch keine Beschlüsse der EZB zu erwarten sind, das Wording wird sicher sehr dovish ausfallen. Im gegenwärtigen Umfeld hätte die Notenbank das QE wohl kaum eingestellt, insofern erscheint bei einem verschärften globalen Konjunkturabschwung auch eine Reaktivierung des EAPP nicht als völlig abwegig.