Japan: BIP-Wachstum nur auf den ersten Blick überraschend stark - Nord LB Kolumne
Am heutigen frühen Morgen in Fernost meldete Japan die BIP-Wachstumsrate für das I. Quartal 2019. Nach dem deutlichen Anstieg um (leicht nach unten revidierte) 0,4% Q/Q im IV. Quartal kam es im abgelaufenen I. Quartal nach vorläufiger Schätzung zu einem völlig überraschenden Anstieg um 0,5% Q/Q. Das Land der aufgehenden Sonne setzt nach dem deutlichen Vorquartalsanstieg demnach sogar noch einen drauf und kann – zumindest auf den ersten Blick – eine erfreulich positive Tendenz verbuchen.
Doch bereits auf dem zweiten Blick wird ersichtlich, dass eine Menge an Haaren in der Suppe schwimmen und sie zudem ziemlich versalzen ist. Denn der größte Wachstumstreiber im abgelaufenen Quartal war der Außenbeitrag – aber leider im recht ungünstigen Sinne: So fiel der Rückgang der Importe noch stärker als der der Exporte aus. In Endeffekt sorgte dieser eher als wenig dynamisch zu bezeichnende Nettoexport für einen rein technischen Wachstumsschub. Japans Außenwirtschaft muss möglicherweise bereits dem Handelskrieg zwischen den USA und China und der Wachstumsabschwächung im Reich der Mitte den ersten Tribut zollen.
Als weitere Wachstumstreiber bei der Betrachtung der Details sind die Staatsausgaben und die Lagerinvestitionen auszumachen, welche aber nicht unbedingt starke Signale für eine gesunde Entwicklung der Wirtschaft geben. Insbesondere die Vorratsentwicklung macht weniger Hoffnung für das laufende Quartal. Als weiterer fader Beigeschmack kommt letztlich hinzu, dass die Stützen einer jeden konjunkturellen Bewegung – der Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen – im I. Quartal beide zurückgingen.
In der Gesamtbetrachtung sollte also dieser im Grunde überraschend starke Quartalsanstieg des Bruttoinlandsprodukts nicht zu positiv bewertet werden. Die BIP-Komponenten lassen eine strukturelle Schwäche erkennen. Zudem sind die japanischen Wachstumszahlen bei ihrer zweiten Veröffentlichung traditionell oft von deutlichen Revisionen gekennzeichnet.
Die beiden Fragen, die derzeit diskutiert werden, sind, ob angesichts dieser BIP-Wachstumsdaten erstens die Bank of Japan eine mögliche expansivere Geldpolitik noch verfolgen sollte und ob zweitens die Regierung die für den Herbst geplante Mehrwertsteueranhebung verschieben könnte. Da die Zusammensetzung des ansonsten starken Wachstums nicht sehr überzeugend ausgefallen ist, sind eine expansivere Geldpolitik der BoJ und eine Steuerverschiebung zwar möglich, aber zunächst unwahrscheinlicher geworden. Viel wird vom Wachstum im II. Quartal abhängen.
Perspektivisch ist kaum neue Dynamik auszumachen: Ein unverändert pessimistisches Verbrauchervertrauen weist auf keine nachhaltige Aufhellung beim Konsum hin. Auf der Unternehmensseite sorgt der Anstieg des Einkaufsmanagerindex für den verarbeitenden Sektor auf immerhin 50,2 Punkte für einen Hoffnungsschimmer, dass sich die zuletzt eingebrochene Industrieproduktion etwas stabilisieren könnte. Weiterhin besteht aber die Gefahr, dass eine Konjunkturabschwächung der Handelspartner für die schwächelnde japanische Konjunktur zur Unzeit kommt.
Fazit: Im I. Quartal 2019 kam es in Japan zu einem unerwarteten BIP-Wachstum um 0,5% Q/Q. Dieser auf den ersten Blick erfreuliche Anstieg muss allerdings relativiert werden: Zu den Wachstumstreibern zählten vor allem die Importe (die stärker als die Exporte zurückgingen), die Staatsausgaben und die Vorräte. Dagegen wiesen der Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen Rückgänge auf. Insofern sollte man das BIP-Wachstum nicht zu positiv bewerten – eine schwächere Tendenz im II. Quartal ist wahrscheinlich. Viel wird nun von möglichen Vorzieheffekten der für Herbst angekündigten Mehrwertsteuererhöhung, dem Handelskrieg zwischen den USA und China und der Konjunkturentwicklung in China abhängen. Dabei dürfte auch der Wechselkurs des japanischen Yens eine Rolle spielen.