Wirecard: Das Erfolgsmodell hat wieder heftige Schrammen
Wirecard-Chef Markus Braun hat sich geirrt. In der Telefonkonferenz der Gesellschaft vom Montag, in der die DAX-notierte Gesellschaft die Vorwürfe aus den letzten beiden Berichten der „Financial Times” zu möglichen Unregelmäßigkeiten und Straftaten im Asien-Geschäft widerlegen wollte, ging der Österreicher davon aus, dass der Fall mit diesem Tag quasi erledigt sei. Das durfte zu diesem Zeitpunkt (siehe auch die letzten 4investors-Berichte zu Wirecard) bezweifelt werden. Seit heute ist klar: Das „Duell” zwischen Wirecard und der britischen Zeitung geht in die nächste Runde. Das FT-Autorenteam Dan McCrum aus London und Stefania Palma aus Singapur haben weitere Details aus Dokumenten veröffentlicht, die ihnen Whistleblower aus dem Kreis der Wirecard-Beschäftigten zugespielt haben sollen.
Der Kern der Geschichte, die die FT zu Wirecard heute präsentiert, ist nicht neu. Die Zeitung wirft bereits seit Mittwoch Fragen auf, ob es in asiatischen Tochtergesellschaften der Fintech-Gruppe zu Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstößen gekommen sei. Im Zentrum stehen dabei unter anderem Dokumente aus Untersuchungen der Rechtsanwaltskanzlei Rajah & Tann aus Singapur zu Vorgängen bei Wirecard. Wieder ist unter anderem von fingierten und manipulierten Verträgen die Rede. Betroffen sollen Geschäfte in diversen Ländern im asiatisch-pazifischen Raum sein, unter anderem Hongkong und Malaysia. Es sind Anschuldigungen, die - sollten sie wahr sein - nicht nur das Vertrauen an der Börse in Mitleidenschaft ziehen, sondern Wirecard auch operativ in Probleme bringen könnten. An der Börse hat das „Erfolgsmodell Wirecard” schon jetzt heftige Schrammen und das nicht zum ersten mal. Frühere kritische Berichte zu Wirecard hinterließen aber keinen nachhaltigen Schaden bei dem Papier.
Börse bleibt bei der Wirecard Aktie enorm nervös
Wirecard wehrt sich seit Tagen vehement gegen die Vorwürfe, hat den Kursverfall aber nicht stoppen können. Seit dem Allzeithoch im September des vergangenen Jahres hat Wirecards Aktie in der Spitze rund die Hälfte an Wert verloren. Die letzte Abwärtsbewegung von 170 Euro auf 100 Euro ging fast komplett auf das Konto der Berichte in der „Financial Times”. Die Dementis von Wirecard haben die Nervosität nicht aus dem Markt bekommen. Heute rollen weitere Verkaufswellen, binnen rund einer Stunde bricht der Aktienkurs unter extrem hohen Umsätzen aus dem Bereich um 128 Euro auf 104,85 Euro ein. Auffällig: Die Verkaufswellen - unter anderem auch im TecDAX, in dem Wirecard stark gewichtet ist - fallen zeitlich extrem mit dem Veröffentlichungszeitpunkt in der „Financial Times” zusammen. Das Schema aus der vergangenen Woche wiederholt sich, zumindest an der Börse.
In der Berichterstattung der „Financial Times” zeigen sich diesmal aber Unterschiede zu den beiden vorangegangenen Berichten. Die Story, die das Autorenteam erzählt, ist deutlich detaillierter als die beiden ersten Berichte. Man nimmt unter anderem Bezug auf vorliegende E-Mail-Kommunikationsketten, Prüfungen von Ernst & Young sowie des Compliance-Teams von Wirecard, beschreibt „Zahlungskarusselle” im Asien-Geschäft, mit denen Wirecard-Sparten vor der Verfehlung von Zielen geschützt worden sein sollen. Zudem werden deutlich mehr Namen von involvierten Personen genannt - und hier wird es spannend. Denn, so geht aus dem Bericht hervor, Personen aus Wirecards Top-Management in der Münchener Konzernzentrale sollen von den Vorgängen zumindest im Ansatz gewusst haben.
Wirecard weist Berichte in der „Financial Times” scharf zurück
Wieder wehrt sich Wirecard mit deutlichen Worten, allerdings ohne bisher explizit auf die Details in dem Bericht der Zeitung einzugehen. Nichts von dem, was in der „Financial Times” berichtet werde, sei wahr, heißt es am frühen Nachmittag in einem kurzen Statement aus der Konzernzentrale des DAX-notierten Unternehmens, das im September 2018 den Platz der Commerzbank Aktie eingenommen hat, die in den MDAX absteigen musste. Das Unternehmen bestätigt erneut seine Aussagen vom 4. Februar und fordert auf, die persönlichen Rechte der Wirecard-Angestellten zu achten. Wirecard selbst beteuerte am Montag, dass die Untersuchung der Vorgänge sowohl durch interne Prüfer als auch durch die renommierte Anwaltskanzlei aus Singapur keine Anzeichen für irgendein strafrechtlich relevantes Verhalten bei den Wirecard-Angestellten gebracht hätten.