EZB: Draghi warnt vor Konjunkturrisiken und betont Handlungsbereitschaft - Nord LB Kolumne

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer heutigen Sitzung keine neuen Maßnahmen beschlossen. Erst zum Jahreswechsel hatte die Notenbank mit dem Auslaufen der Nettoankäufe im Rahmen des EAPP das größte geldpolitische Experiment ihrer Geschichte beendet. Neue Entscheidungen waren auch losgelöst von dem eingetrübten gesamtwirtschaftlichen Umfeld auf der heutigen Sitzung daher nicht zu erwarten. Die Leitzinsen blieben erwartungsgemäß unangetastet und verharren auf ihren historischen Tiefstständen.
Auch die Formulierungen der Forward Guidance mit Blick auf die zukünftige Entwicklung der Leitzinsen und der Reinvestmentpolitik wurden unverändert beibehalten. Somit liegt der früheste Zeitpunkt für eine erste Zinsanhebung des Einlagesatzes weiterhin im vierten Quartal 2019. Die EZB wird zudem aus unserer Sicht mindestens bis ins Jahr 2021 hinein Fälligkeiten aus dem EAPP vollständig reinvestieren. Nun droht sich dieser Zeitplan noch weiter zu verschieben.
Der Fokus der Marktteilnehmer richtete sich daher heute vor allem auf die Einschätzung der EZB zur gesamtwirtschaftlichen Lage sowie insbesondere zu den Risiken für den Wachstums- und Inflationsausblick. Die jüngsten Konjunkturdaten sind durchwachsen bis enttäuschend ausgefallen. Zum Jahresende 2018 dürfte sich das Wachstum in der Eurozone entgegen früheren Erwartungen nicht beschleunigt haben. Damit hat sich die Konjunkturdynamik im zweiten Halbjahr 2018 erheblich verringert. Die heutigen Zahlen von den Markit Einkaufsmanagerindizes für den Berichtsmonat Januar machen zudem wenig Hoffnung auf eine schnelle Belebung in diesem Jahr.
Noch ist nicht klar, welchen Anteil Sonderfaktoren wie Produktionsprobleme in Deutschland (WLTP, niedrige Pegelstände) oder die Proteste der Gilets Jaunes in Frankreich hatten. Die im Dezember aktualisierten Projektionen der Notenbank hatten wir aber schon damals für zu optimistisch gehalten. Wir rechnen fest damit, dass die EZB ihre Projektionen für das Wachstum und die Inflation im März nach unten anpassen wird. Dem Umstand schwächerer Konjunkturdaten hat EZB-Präsident Mario Draghi auf der heutigen Pressekonferenz bereits Rechnung getragen. Die jüngste Wachstumsdynamik sei geringer als erwartet ausgefallen, zudem sieht er die Risiken für die europäische Konjunktur abwärts gerichtet – eine Rezession sei jedoch nicht wahrscheinlich.
Hinweise auf möglicherweise geplante neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) fehlten in dem heutigen Statement. Mario Draghi berichtete aber von mehreren Ratsmitgliedern, die dieses Thema angeschnitten hätten. Zudem betonte er die Handlungsbereitschaft und -fähigkeit der Notenbank, bei Bedarf gegenzusteuern. Der weitere Exitfahrplan hängt angesichts der Konjunkturschwäche und der politischen Risiken damit zunehmend am seidenen Faden.
Fazit: Die EZB hat wie erwartet auf ihrer heutigen Ratssitzung keine neuen geldpolitischen Beschlüsse gefasst. Sowohl die Forward Guidance als auch die Leitzinsen blieben gegenüber der Dezembersitzung unverändert. Da gerade erst die Nettoankäufe von Anleihen zum Jahreswechsel eingestellt worden waren, wäre alles andere eine große Überraschung gewesen. Mario Draghi betonte erwartungsgemäß die gewachsenen Abwärtsrisiken und die Handlungsbereitschaft und -fähigkeit der EZB, bei Bedarf gegenzusteuern. Im März ist mit einer Senkung der Wachstums- und Inflationsprognosen der EZB zu rechnen, was Maßnahmen wie TLTROs wahrscheinlicher macht. Auf der anderen Seite droht sich jedoch auch der ohnehin sehr langfristig angelegte Exitfahrplan noch weiter zu verzögern. Die EZB ist gut beraten, noch weitere Daten abzuwarten und sich eine Fortsetzung der geldpolitischen Normalisierung vorzubehalten. Draghis Hinweis, dass sich die Wirtschaft auch besser als erwartet entwickeln könne, klang jedoch fast wie das Pfeifen im Walde…