Intershop: Microsofts „Dynamik ist natürlich spürbar”
Intershop befindet sich im Transformationsjahr - man setzt verstärkt auf die Cloud und die Umstellung beeinflusst die Bilanzen. Im Interview mit der Redaktion von www.4investors.de spricht Jochen Wiechen, Vorstandsvorsitzender und CEO der Intershop Communications AG, über die Chancen und Auswirkungen der Umstellung und die Rolle des Partners Microsoft, das Übernahmefieber in der Branche und den schwankungsfreudigen Aktienkurs.
www.4investors.de: Wie gestern zu sehen war, sind Intershops Zahlen von der verstärkten Ausrichtung auf Cloud-Dienste geprägt. Sie bezeichnen 2018 als Transformationsjahr. Wie stark belastet der Umstieg auf die Cloud Ihre Zahlen derzeit und wie stark wird Intershop langfristig davon profitieren?
Wiechen: Die Umsatzverschiebung von sofort vereinnahmten Lizenz- auf monatlich wiederkehrende Cloud-Erlöse sorgt zunächst einmal für geringere Umsätze im Vergleich zum Vorjahr und vorübergehend für negative Ergebniseffekte. Dies gilt bis zu dem Zeitpunkt, in dem die wiederkehrenden Cloud-Erträge die Lizenzerlöse kompensiert haben. Deutlich wachsende Auftragseingänge im Cloud-Geschäft und ein um 16 Prozent gestiegener Cloud-Umsatz weisen diesbezüglich in die richtige Richtung. Langfristig wird die neue Umsatzstruktur für bessere Planbarkeit und mehr Stabilität unseres Geschäfts sorgen.
www.4investors.de: Forrester Research hat die Intershop-Lösung gerade erst als weltweit beste B2B-Lösung eingestuft. Trotzdem gab es in den letzten Jahren immer wieder Umsatz- und Ertragsenttäuschungen. Was sind die Gründe hierfür und wann kann Intershop die technologische Führungsposition endlich in Wachstum und positive Ergebnisse umsetzen?
Wiechen: Ja, die Auszeichnung macht uns ungemein stolz und ich freue mich vor allem für unser Entwicklerteam, das mit viel Herzblut täglich an der Verbesserung unserer Software arbeitet. Jetzt gilt es nach vorne zu blicken und dieses tolle Asset in Wachstum und steigende Erträge zu wandeln. Wir haben vor gut zwei Jahren mit dem Aufsichtsrat unser Lighthouse-Programm gestartet. Daran arbeiten wir mit Hochdruck und haben das Ziel, bis 2020 unseren Umsatz auf 50 Millionen Euro zu steigern und eine positive EBIT-Marge von 5 Prozent zu erzielen. Dafür schaffen wir bereits jetzt die Grundlage und setzen alles daran, die Cloud-Transformation zu beschleunigen.
www.4investors.de: Ist Intershop für die Transformation in Richtung Cloud mit knapp 10 Millionen Euro liquiden Mitteln durchfinanziert, oder wird weiteres Geld benötigt?
Wiechen: Wir haben solide Bilanzrelationen, eine EK-Quote von 63 Prozent und so gut wie keine Finanzschulden. Das sind erst mal gute Voraussetzungen für die Finanzierung des Umbaus. Andererseits haben unsere größeren Wettbewerber inzwischen allesamt finanzstarke Konzerne wie SAP und Adobe im Rücken, die einen viel größeren finanziellen Spielraum im Wettbewerb um den Kunden haben. Letztlich hängt die Entscheidung, ob wir weiteres Geld benötigen, von der Geschwindigkeit ab, mit der wir die Cloud-Transformation vorantreiben. Hier gilt es, das richtige Maß zwischen Schritthalten mit dem Wettbewerb und unseren finanziellen Spielräumen zu finden.
www.4investors.de: Intershop hat die Kooperation mit Microsoft weiter verstärkt. Was hat sich im Vergleich zur vorherigen Zusammenarbeit verändert?
Wiechen: Die Intensivierung der Partnerschaft bedeutet zunächst mal, dass wir künftig direkt von einem Microsoft-Team in der Unternehmenszentrale in Redmond (USA) betreut werden. Zudem wird die Intershop Commerce-Lösung in das Lösungsportfolio für die Microsoft Azure Cloud eingebunden sowie in die Geschäftsanwendungen der Microsoft Dynamics 365 Produktfamilie integriert. Davon versprechen wir uns eine deutliche Erhöhung der globalen Sichtbarkeit des Intershop-Angebots.
www.4investors.de: Das Cloud-Geschäft bei Microsoft boomt regelrecht, wie aus der letzten Meldung der Gesellschaft zu entnehmen war. Spüren Sie bei Intershop Auswirkungen des Booms, zum Beispiel was Vertrieb und Absatz eigener Produkte angeht?
Wiechen: Ja, die Dynamik ist natürlich spürbar. Microsoft hat erstmalig Amazon im Cloud-Bereich überholt und ist daran interessiert, möglichst viele Applikationen rund um die Azure Cloud anzusiedeln. Wir merken vor allem, dass wir durch unsere Partnerschaft auf gestiegenes Interesse bei großen Beratungshäusern stoßen, die künftig unsere Plattform in ihr Beratungsportfolio mit aufnehmen wollen.
www.4investors.de: Im E-Commerce-Sektor grassiert das Übernahmefieber. Unter anderem hat Adobe Ihren Konkurrenten Magento geschluckt und SAP hat Hybris gekauft. Hat Microsoft bei Ihnen oder Ihren Großaktionären schon angefragt, ob man über eine Übernahme verhandeln möchte?
Wiechen: Die Übernahmespekulationen begleiten Intershop ja schon seit Jahren. Daran beteiligen wir uns nicht. Wir sind froh, mit Microsoft einen starken Partner an der Seite zu haben, der uns die Cloud-Transformation erleichtert und im Vertrieb für mehr Sichtbarkeit sorgt. Unsere Aufgabe ist es, Intershop auf einen nachhaltigen profitablen Wachstumskurs zu führen. Dafür bin ich angetreten und das ist unser primäres Ziel.
www.4investors.de: Welche Rolle spielen Ihre beiden Ankeraktionäre Shareholder Value und Axxion? Wie beurteilen diese Intershops Performance und Strategie?
Wiechen: Ich kann nicht für die beiden Aktionäre sprechen, aber wir sind in regelmäßigem Austausch mit ihnen und bisher haben wir viel Unterstützung für unseren strategischen Kurs erhalten. Natürlich muss auch mittelfristig der Return kommen. Daran arbeiten wir mit großem Engagement.
www.4investors.de: Intershops Aktie ist sehr schwankungsfreudig. Gibt es aus Ihrer Sicht dafür Gründe, die über die Nachrichtenlage hinausgehen?
Wiechen: Ein wesentlicher Grund für die Volatilität sind niedrige Handelsumsätze. Dieses Schicksal teilen wir mit vielen anderen Small Caps. Aber wir arbeiten daran, unsere Investorenbasis zu erweitern. Nächste Woche sind wir auf Roadshow, Ende November wie gewohnt auf dem Eigenkapitalforum.
www.4investors.de: ADR auf die Intershop Aktie waren früher einmal an der NASDAQ notiert. Wäre eine Rückkehr an die US-Börse irgendwann mal wieder eine Option für Sie?
Wiechen: Es gibt sicher gute Gründe für ein Listing in den USA, z.B. über ADR-Programme, um bei US-Investoren stärker auf den Radar zu gelangen. Bekanntermaßen sind die Bewertungen für Technologieunternehmen durch US-Investoren deutlich höher als in Europa. Aber wir haben derzeit nicht die Größe und auch nicht die Ressourcen, um von einem Zweitlisting in den USA zu profitieren. Aktuell konzentrieren wir uns auf den hiesigen Kapitalmarkt.