Deutschland: Nur leichte Wachstumsmoderation im ersten Halbjahr - Nord LB Kolumne
Das Statistische Bundesamt hat heute Morgen eine erste Schätzung zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal 2018 veröffentlicht. Demnach hat sich die Wachstumsdynamik im Frühjahr erwartungsgemäß gegenüber dem Vorquartal wieder leicht erhöht. Die Wirtschaftsleistung legte saisonbereinigt um 0,5% Q/Q zu, das BIP-Wachstum im ersten Quartal wurde zudem leicht auf 0,4% Q/Q aufwärts revidiert. Gegenüber der Vorjahresperiode ergibt sich ein Anstieg um 2,0% bzw. ohne Arbeitstagebereinigung um 2,3%.
Die heutigen Zahlen liegen etwas oberhalb der Schätzungen der zuvor von Bloomberg befragten Analysten, insbesondere bei Berücksichtigung der Aufwärtsrevision für das erste Quartal. Die Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze hatten sich von April bis Juni insgesamt wieder positiver entwickelt. Vor allem die Baukonjunktur läuft weiter auf Hochtouren, wobei sich jedoch zunehmend der Mangel an Fachkräften als das größte Hindernis für ein zügigeres Abarbeiten des hohen Auftragsbestandes herausstellt.
Zwar veröffentlichten die Statistiker im Rahmen der ersten Vorausschätzung wie üblich noch keine Details zur Entwicklung der Komponenten, gaben aber gleichwohl einige grobe Hinweise. Demnach gingen positive Impulse vor allem von den privaten und öffentlichen Konsumausgaben aus. Zudem wurde jeweils etwas mehr als im Vorquartal in Ausrüstungen, Bauten und sonstige Anlagen investiert. Auch der Außenhandel zeigte sich im Frühjahr dynamischer. Da die Importe jedoch stärker als die Exporte anzogen, haben die Nettoexporte voraussichtlich leicht gebremst.
Wie üblich hat das Statistische Bundesamt mit der Schnellschätzung im August auch die Ergebnisse der letzten vier Jahre überprüft und dabei neu verfügbare Informationen in die Berechnungen einfließen lassen. Hierbei wurden teils deutliche Korrekturen vorgenommen. So haben sich die Wachstumskräfte des Vorjahres derart verschoben, dass der statistische Überhang für 2018 geringer ausfällt, weshalb wir weiterhin eher von einem Wirtschaftswachstum unterhalb von 2% für das laufende Jahr ausgehen. Zudem ist für das zweite Halbjahr nicht von einer Wachstumsbeschleunigung auszugehen. Die zuletzt sehr schwachen Auftragszahlen der deutschen Industrie und die abgekühlten Frühindikatoren sind aus unserer Sicht erste Belege für die wachsenden Belastungen der Realwirtschaft durch den Handelskonflikt. Zu den globalen Risikofaktoren Trump, Brexit und Italien ist nun auch noch die Währungskrise in der Türkei hinzugekommen.
Für die EZB ändert sich durch die heutigen Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland nichts. Die Notenbank wird wegen der leichten Wachstumsmoderation nicht von ihrem sehr langfristig angelegten, graduellen Pfad in Richtung einer geldpolitischen Normalisierung abweichen. Die etwas besser als erwartet ausgefallenen BIP-Zahlen haben dem deutschen Aktienmarkt unter die Arme gegriffen, der DAX startete nach den jüngsten Schockwellen der türkischen Währungskrise deutlich über der Marke von 12.400 Punkten in den Handel.
Fazit: Die deutsche Wirtschaft hat im Frühjahr erwartungsgemäß wieder etwas an Dynamik gewonnen. Das reale BIP legte im zweiten Quartal saison- und kalenderbereinigt um 0,5% zum Vorquartal zu. Wachstumsimpulse gingen vor allem vom privaten und öffentlichen Konsum sowie von den Investitionen aus. Die Nettoexporte dürften jedoch leicht gebremst haben. Zusammen mit der leichten Aufwärtsrevision für das erste Quartal muss man von einer positiven Überraschung sprechen. Für das laufende Jahr halten wir dennoch an unserer Wachstumsprognose in Höhe von knapp 2% fest, vor allem wegen der vielfältigen Risikofaktoren und der abgekühlten Frühindikatoren. Das wirtschaftliche Umfeld ist aber noch intakt, so dass die EZB ihren langfristig angelegten Exitpfad beibehalten wird.