Steinhoff schlägt alle - Erholungsbewegung stockt
Eine solche Situation erlebt man auch nicht alle Tage. Mit der Steinhoff Aktie nimmt ein MDAX-notierter Titel die Topposition im Tradegate-Handel ein. In diesem Fall haben es die Folgen des Bilanzskandals beim niederländisch-südafrikanischen Konzern mit deutschen Wurzeln möglich gemacht: Im Dezember wurden im Tradegate-Handel Steinhoff-Aktien mit einem Orderbuchwert von 274 Millionen Euro gehandelt - so viel wie mit keiner anderen Aktie. Auf den Plätzen folgen die Papiere von Volkswagen mit 211 Millionen Euro und Evotec mit 155 Millionen Euro Orderbuchumsatz.
Währenddessen stockt die jüngste Kurserholung bei der Steinhoff Aktie derzeit. Im Bereich 0,595/0,613 Euro könnte sich eine charttechnische Hürde aufbauen. Das passt ins Bild: „Um 0,58/0,60 Euro und um 0,65/0,66 Euro sind weitere Tradinghindernisse zu sehen”, hieß es gestern in einer unserer Analysen. Das konkretisiert sich aktuell. Steinhoffs Aktienkurs notiert mittlerweile bei 0,586 Euro mit 4,53 Prozent im Plus, das Tageshoch ist bei 0,613 Euro notiert.
Hier noch einmal unser Steinhoff-Bericht vom heutigen Morgen: An der Börse hört man weiterhin nicht auf Steinhoff. Während das Unternehmen wiederholt zu einem vorsichtigen Umgang mit den eigenen Aktien warnte, passiert am Markt das genaue Gegenteil: Es wird zum Teil wild gezockt. Dabei hat sich in den letzten Tagen eine Veränderung gezeigt: Reagierte die Börse zuvor auf sämtliche Steinhoff-News negativ, egal worum es ging, so passiert nun das Gegenteil. Die Folge ist eine Erholungsbewegung der Steinhoff Aktie von 0,248 Euro bis an die Marke von 0,60 Euro, die gestern knapp erreicht wurde.
Die Erholung lässt natürlich die Spekulationen unter Zockern hochkochen: Kann sich Steinhoff retten oder nicht? Von Anfang an stand dabei das operative Geschäft des niederländisch-südafrikanischen Möbel- und Retailkonzerns im Fokus, zu dem es zuletzt durchaus positive Nachrichten gab, So berichteten Töchter in Australien und Großbritannien von einem starken Weihnachtsgeschäft, in den USA geht es bei der Restrukturierung von Mattress Firm voran - wir berichteten. Auffällig: Steinhoffs Tochterfirmen suchen zunehmend eine größere finanzielle Unabhängigkeit von der bisher alles dominierenden Muttergesellschaft, bei der das Finanzgebaren nach einem milliardenschweren Expansionstrip des Managements quer über den Globus teils chaotische Züge angenommen hatte.
Zwar ist derzeit noch völlig unbekannt, welche Dimension die Bilanzlöcher bei Steinhoff nach den aufgedeckten Unregelmäßigkeiten haben, eine ganze Reihe von Abschlüssen muss neu aufgestellt werden, dennoch scheint man an der Börse zurzeit eine Pleite des Konzerns als wenig wahrscheinlich anzusehen. Interessant: Obwohl Steinhoff selber einräumt, dass man den vorgelegten Jahresabschlüssen kein Vertrauen entgegen bringen kann, sind es immer wieder die Bilanzrelationen des Konzerns, die als Argument herhalten müssen, warum die Steinhoff Aktie derzeit so etwas wie die Chance des Jahres sein muss - eine gefährliche Argumentation, solange keinerlei detailliertere Informationen zur Größe der Bilanzlöcher auf dem Tisch liegen.
Steinhoff: Zwischen Hoffen und Bangen
Zumal noch eine zweite große Unbekannte auf dem Tisch liegt: Der Weg, mit dem sich Steinhoff sanieren will, ist offen. Derzeit hat man beim Unternehmen alle Hände voll zu tun, Aufräumarbeiten durchzuführen, die Bilanzen auf den Kopf zu stellen, das Personal auszutauschen, das bei Großinvestoren sämtliches Vertrauen verspielt hat, und vor allem die Liquidität zu stabilisieren. Trotz einiger Fortschritte in diesem Bereich musste Steinhoff gestern einräumen, dass immer noch in vielen Bereichen des Konzerns erhebliche Liquiditätslücken für das operative Geschäft existieren - wir berichteten. Der bisherige Finanzvorstand Ben la Grange soll sich nun vor allem darum kümmern - zumindest der offizielle Grund, warum der Manager als CFO abgelöst wurde. Ohnehin sorgte die Personalie bisher bei Anlegern für Ärger: Die Darstellung Steinhoffs, dass la Grange als Finanzverantwortlicher von dem Bilanz-Skandal nichts gewusst haben soll, wirkt alles andere als überzeugend. Längst waren Stimmen laut geworden, die offen den Rücktritt des kompletten Managements gefordert haben, das vom Skandal kompromittiert sei.
Und so könnte der Sanierungprozess, auf den bei Steinhoff alles hinausläuft, für Aktionäre unangenehme Überraschungen bereit halten. Erste Beteiligungen wurden verkauft, um Finanzlöcher zu stopfen - nicht etwa, um Schulden abzubauen. Die angekündigte Berufung eines Managers, der sich um die Sanierung der Finanzen kümmern soll, lässt auf weitere Transaktionen in den kommenden Monaten schließen. Dabei muss es nicht beim Verkauf von einzelnen Geschäftsbereichen bleiben, bei denen ohnehin nur ein Teil des Verkaufserlöses in die Tilgung von Schulden fließt, eher könnte zum Beispiel ein „Umtausch” der Steinhoff-Anleihen in Aktien ein Deal sein, auf den der Konzern zur Rettung hinarbeitet. Das allerdings wäre, siehe vergleichbare Beispiele in den letzten Jahren, mit massiven Verwässerungeffekten für die derzeitigen Aktionäre verbunden. Steinhoff wäre dann zwar gerettet, die Anteilseigner aber möglicherweise nicht mehr Herr im eigenen Haus. Ob eine solche Perspektive tatsächlich die explosiven Kursgewinne verspricht, die einige Börsendienste derzeit den Anlegern schmackhaft machen, darf definitiv in Frage gestellt werden.