ICO – Das smartere Crowdfunding oder nur ein vorübergehender Hype?
Blockchain, Cryptocurrency und ICO – für viele Anleger ist das vor allem noch eines: kryptisch. ICOs – Initial Coin Offerings – machen Schlagzeilen durch fantastische Summen eingesammelten Geldes. Den aktuellen Rekord stellte das US-Start-up Filecoin auf, das 257 Mio. US-Dollar durch den Verkauf von Token aufgenommen hat und durch den Ansturm der Anleger sogar die ICO-Plattform CoinList zum Absturz brachte.
Wurden anfänglich vor allem Geschäftsideen rund um die Blockchain-Technologie über ICOs angeboten, breitet sich die Finanzierungsform mittlerweile in andere Bereiche aus.
Was ist ein ICO?
Bei einem ICO werden sogenannte Token ausgegeben, die Investoren zu Beginn oder vor dem Projektstart erwerben können – verbunden mit der Hoffnung, dass diese in der Zukunft einen höheren Wert besitzen werden. Diese Token sind digital gespeicherte Anrechte, zum Beispiel auf den Erwerb eines (noch zu erstellenden) Produkts oder den Anteil am Gewinn eines Projekts. Allerdings ist nicht bei allen ICOs leicht für jedermann ersichtlich, was tatsächlich in Aussicht gestellt wird.
Parallelen zu den Konzepten des Reward Crowdfundings bzw. Crowdinvestings sind offensichtlich. Ein wesentlicher Unterschied ist die Liquidität der Token, die sich über Plattformen jederzeit wieder verkaufen lassen. Anleger können ihre Investments also schnell flüssig machen und sind nicht über längere Zeiträume gebunden. Das kann Vor- und Nachteil zugleich sein. Ein wichtiger Unterschied ist zudem, dass diese Form der Finanzierung vielerorts entweder nicht von der bestehenden Regulierung erfasst wird oder aber frontal mit dieser kollidiert.
Viele ICO-Anhänger sehen gerade im unregulierten Freiraum den besonderen Charme. Das herkömmliche Crowdfunding sei längst überreguliert. Spätestens hier sollten bei Investoren die Alarmglocken läuten. Denn der Gesetzgeber hat nicht zuletzt eines auf dem Schirm: Den Schutz der Anleger. Und so warnt Prof. Dr. Philipp Sandner, Blockchain-Experte der Frankfurt School of Finance, davor, dass ICOs extreme Anziehungskraft auf obskure Personen entfalte. Hier treten dann häufig zwei Hypes im Verbund auf – ICO und Cryptocurrency. Und damit kommen zusätzliche Risiken ins Spiel: 1. Wer und was stellt sicher, ob für eine heute in „harter“ Währung gegen Bitcoin u. a. getätigte Anlagen die erwirtschafteten Gewinne künftig auch gegen Bitcoin ausgezahlt werden können? Und was erhält der Token-Inhaber, wenn das nicht mehr funktionieren sollte? Und 2. Welchen Wert hat eine Währung in drei, vier oder fünf Jahren, die heute 20% und mehr am Tag schwanken kann?
Das größte Problem aber ist für Anleger derzeit, dass sich kaum ausmachen lässt, wer seriöser Anbieter ist und wer nicht.
Alles schlecht? Mitnichten!
ICOs sind zwar hipp, bislang aber wohl eher für Glücksritter als für langfristig orientierte Investoren geeignet. Natürlich kann es hier wie überall sonst auch keine Garantie auf den mühelos verdienten Dollar geben.
Aber ICOs werden mit Sicherheit einen Einfluss auf das Crowdfunding im Allgemeinen entwickeln. Die Ausgabe eines Tokens ist vergleichbar mit der Ausgabe eines Wertpapiers und ein solches stellt ein verbrieftes Recht auf eine Zahlung dar. Diese Verbriefung ist heute ein komplexer Prozess. Schließlich muss sichergestellt sein, dass Wertpapiere sich einerseits leicht von einem Besitzer zum nächsten übertragen lassen, ohne dass sich die in Umlauf gebrachten Wertpapiere wie durch Zauberhand vermehren können. Dezentrale Datenbanktechnologien, von denen Blockchain aktuell die bekannteste, aber nicht die einzige ist, könnten diese Prozesse radikal vereinfachen und der Finanzierung von Start-ups neue Möglichkeiten eröffnen. Dafür braucht es im Sinne aller seriösen Beteiligten allerdings einen verlässlichen rechtlichen Rahmen.
Frank Schwarz
Über den Autor:
Frank Schwarz ist Kapitalmarkt- und Kommunikationsexperte, Finanz-Journalist und Netzwerker. 2003 gründete er die Agentur Schwarz Financial Communication. Als Investor-Relations-Berater unterstützt er Unternehmen bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten und bei der Kommunikation mit Medien und Anlegern. Als Crowdfunding-Enthusiast setzt er sich für mehr Transparenz der Plattformen ein, die er beim Aufbau ihrer Investorenbasis und einer professionellen Finanzkommunikation berät. Er ist zudem Beirat von transparendo.immo einer Informations-Plattform für Investoren.