Paion: Die nächsten Wochen können entscheidend sein – Exklusiv-Interview
Der überraschende Abbruch einer klinischen Studie mit dem Narkosemittelkandidaten Remimazolam hat die Paion-Aktionäre geschockt, der Aktienkurs fiel zwischenzeitlich sogar kurz knapp unter die Ein-Euro-Marke. Im Interview mit www.4investors.de nimmt Paion-Chef Wolfgang Söhngen nun Stellung zu den Hintergründen und dem weiteren Ausblick. Die nächsten richtungweisenden Nachrichten werden schon in den kommenden Wochen aus den USA und Japan kommen.
www.4investors.de: Sie haben die europäische Phase III Studie mit Remimazolam wegen mangelnder Teilnahme abgebrochen. Zu wie viel Prozent konnten sie die Studie überhaupt durchführen und was hat konkret im Studiendesign die Probleme verursacht?
Söhngen: Grundlage für das Design der europäischen Phase III-Studie war die erfolgreiche Durchführung einer Phase II-Studie am Herzzentrum in Leipzig mit Patienten, die einen chirurgischen Eingriff am Herzen hatten. Remimazolam zeigte, dass die Patienten die Narkose gut vertragen haben.
Auf Basis dieser positiven Daten und unter Berücksichtigung der Vorgaben der europäischen Zulassungsbehörde wurde ein Studiendesign entworfen, welches aus unserer Sicht das positive Profil von Remimazolam (Herzkreislaufstabilität) am besten herausarbeiten kann. Um die Vielzahl der Behördenfragen zu adressieren, ist eine hohe Anzahl an Parametern in der Studie erforderlich. In der praktischen Umsetzung zeigte sich, dass viele Studienzentren innerhalb der Phase III dieses komplexe Studiendesign in der Herzchirurgie schlecht oder nicht in die klinische Praxis implementieren konnten und große Schwierigkeiten in der Patientenrekrutierung hatten. Lange Rekrutierungszeiten führen zu Verschiebungen innerhalb des Entwicklungsplans, höherem administrativen Aufwand und großen Kostensteigerungen und haben damit zu einer nicht vertretbaren Belastung geführt. Wir möchten keine Patientenzahl nennen, aber sie war gering genug, um diese Entscheidung zu treffen.
Uns ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen. Sie erlaubt uns aber, unsere Ressourcen mit höchster Priorität auf das laufende US-Entwicklungsprogramm bei Kurzsedierungseingriffen zu konzentrieren. Die Phase III Koloskopiestudie verläuft nach Plan und die Patientenrekrutierung wird nach wie vor im ersten Quartal 2016 erwartet.
www.4investors.de: Lässt sich bereits absehen, wann und mit welchen Veränderungen im Design eine neue europäische Studie starten könnte?
Söhngen: Wir haben darüber noch keine Entscheidung getroffen. Aus heutiger Sicht wäre es sinnvoll, das Studiendesign zu adaptieren, welches Ono erfolgreich in der Phase III-Studie in Japan angewendet hat und sich auf den Bereich Allgemeine Anästhesie in der Allgemeinchirurgie zu konzentrieren. Eine neue EU Phase III Studie bedarf darüber hinaus neuer Finanzmittel, die derzeit nicht verfügbar sind. Es muss allerdings dabei sorgfältig geprüft werden, ob alle Anforderungen der Zulassungsbehörde mit einem vereinfachten Design erfüllt werden können.
www.4investors.de: Was ist an Vorbereitungsarbeiten für eine solche Neuauflage der Studie vonnöten? Können die alten Daten in die neue Studie einfließen?
Söhngen: In einem ersten Schritt hat Paion bereits mit führenden europäischen Kliniken die Gestaltung eines möglichen neuen klinischen EU-Programms besprochen. Dabei sollen insbesondere Überlegungen zu Praktikabilität und Effizienz einfließen, um eine Reduzierung der Arbeitsbelastung für die Studien-Zentren zu erreichen. Der hohe Personalaufwand wurde von mehreren Zentren als Haupthindernis für die Rekrutierung und Teilnahme gesehen. Wir gehen davon aus, dass die Daten in jedem Fall für die Sicherheitsbetrachtung der Substanz einfließen werden.
www.4investors.de: Sie haben in ihrer Ad-Hoc-Meldung weiteren Finanzierungsbedarf für eine neue Studie angedeutet. Lässt sich präzisieren, wie hoch Paions Finanzierungsbedarf für diese neue Studie und andere Arbeiten bis zu einer eventuellen Remimazolam-Markteinführung jetzt sein wird?
Söhngen: Der weitere Finanzierungsbedarf betrifft nur eine eventuell neue EU Phase III-Studie. Die Finanzierung des laufenden klinischen US Phase III Programms ist weiterhin gesichert.
www.4investors.de: Finanzmittel könnte ein neuer Partner für den japanischen Markt einbringen. Wie weit sind die Gespräche mit den von Paion im November genannten diversen Interessenten und die Vorbereitungen des Zulassungsantrages für Remimazolam voran gekommen?
Söhngen: Das ist grundsätzlich richtig. Noch können wir hier nicht im Detail über Fortschritte und Erfolge berichten. Wir erhoffen uns aber, einen Schub für die laufenden Partneringgespräche in Japan, wenn wir die Ergebnisse des pre-NDA Meetings vorliegen haben. Ein Update dazu können Sie von Paion noch im ersten Quartal erwarten.
www.4investors.de: Könnte die geplatzte Studie in Europa die Gespräche für Japan belasten?
Söhngen: Hierzu sehen wir keinen Anlass, da der Stopp der Studie rein technischer Natur ist.
www.4investors.de: Gibt es Rückmeldungen von ihren anderen derzeitigen Kooperationspartnern?
Söhngen: Wir sind ständig in einem engen Austausch mit unseren Partnern und sie haben auch die Notwendigkeit für diesen Schritt verstanden.
www.4investors.de: Sie sprachen am Dienstag davon, dass die Bronchoskopiestudie bei der Patientenrekrutierung „moderat“ verlaufe. Was haben sie unternommen, um die Patientenrekrutierung zu verbessern?
Söhngen: Wir werden in Kürze weitere Studienzentren in die Studie einschließen. Parallel wird die Betreuung der vorhandenen Studienzentren intensiviert, um den laufenden Rekrutierungsprozess weiter zu beschleunigen.
www.4investors.de: Liegen die Arbeiten denn derzeit noch im Zeitplan, oder ist hier mindestens von Verzögerungen auszugehen, wenn nicht gar von einem Scheitern der Studie?
Söhngen: Momentan liegen wir hinter dem Zeitplan. Deshalb implementieren wir Maßnahmen in den Zentren, um zu unterstützen. Aber wir arbeiten daran, die Rekrutierung zu beschleunigen. Die Phase III Koloskopiestudie verläuft nach Plan und die Patientenrekrutierung wird im ersten Quartal 2016 erwartet.