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Grenke Aktie im Ausnahmezustand: Das große Wien-Rätsel

20.09.2020 09:58 Uhr - Autor: Michael Barck  auf twitter

Grenkes Vorstand gelang es am Freitag nicht, die von Viceroy Research aufgeworfenen Vorwürfe in Gänze zu widerlegen. Wichtige Fragen blieben offen. Bild und Copyright: Grenke.

Grenke hatte sich in den letzten Tagen Zeit gelassen, ausführlich auf die von Fraser Perrings Viceroy Research aufgeworfenen Beschuldigungen zu antworten. Zu viel Zeit nach dem Geschmack einiger Anleger und Marktbeobachter, denn die Vorwürfe hatten es in sich. Finanzierungsprobleme, fehlende Liquidität, die in der Bilanz ausgewiesen wird, Vetternwirtschaft zu Lasten der Aktionäre, Betrug - kaum etwas wurde ausgelassen, das Parallelen zum Wirecard-Skandal nahe legen sollte. Am Freitag musste dann plötzlich alles ganz schnell gehen. Um 14:51 trudelte in den Wirtschaftsredaktionen eine Mail von Grenke ein. Der Inhalt: Pressekonferenz zu Viceroys Anschuldigungen - Start 15 Uhr.

Schon in den Tagen zuvor merkte man dem Unternehmen die Wut und Überraschung darüber an, wie man von der vollen Wucht der Fraser-Attacke getroffen worden war - das setzte sich in der Konferenz teils fort. Mit großen Worten wurde nicht gespart. „Grenke AG widerlegt Anschuldigungen von Viceroy Research”, hieß es bereits optimistisch in Grenkes Pressemitteilung, die gestern kurz vor 15 Uhr über die Ticker ging. Man habe alle Vorwürfe granular aufgearbeitet, so Konzern-Chefin Antje Leminsky. Viceroys Anschuldigungen seien ein „Schlag ins Gesicht” für Grenkes Mitarbeiter und andere. „Wir sind ehrbare Kaufleute”, so Leminsky in der Pressekonferenz und auch im Investoren- und Analystencall, der sich eine Stunde später anschloss. Warum sich Viceroy ausgerechnet Grenke ausgesucht habe - „wir wissen es nicht”, so die Managerin. Perring habe jedenfalls niemals mit Grenke gesprochen und unnötig reichlich Porzellan zerschlagen, so die Vorstandschefin der Gesellschaft aus Baden-Baden, der die Emotionalität der letzten Tage an einigen Stellen anzumerken war. Man verwehre sich gegen jeden Vergleich mit Wirecard und sei stolz auf die echte Compliance-Kultur im Unternehmen, hieß es.

In der Tat gab es an der Börse zunächst erstaunte Gesichter über die „Attacke” des durchaus umstrittenen Shortsellers, der einerseits den Stein beim Steinhoff-Bilanzskandal ins Rollen brachte und auch bei Wirecard mitmischte, andererseits aber auch schon „Rohrkrepierer” verzeichnete und dessen Geschäftsmethoden teils als fragwürdig gelten. Und Grenke galt bisher tendenziell eher als konservativ handelnder, wenngleich durchaus nicht einfach strukturierter Konzern, allerdings trotz zwischenzeitlich nicht gerade geringer Bewertung kaum als Shortseller-Ziel. Dann kam Viceroys Report.

Fake-Liquidität - ein Fake-Vorwurf Viceroys?

Doch wasserdicht ist deren Argumentation in der 64-seitigen Studie nach aktuellem Stand der Dinge nicht. Und so pickte sich Grenke aus Viceroys Report genüsslich einige potenzielle Schwachpunkte vor allem im Bereich der Liquidität und des Cashflows heraus, die auch schon von neutraler Seite kritisiert wurden und die den Konzern wohl allzu nah in die Richtung von Wirecard rücken sollten.

Den Vorwürfen, bilanziell ausgewiesene Cash-Bestände seien zumindest zum Teil nicht vorhanden, trat Grenke schon in den letzten Tagen entgegen. Löcher in der Kasse gebe es nicht, so das Unternehmen, die Liquidität sei real existent und belegbar. Große Teile der Cash-Summen seien bei der Bundesbank auf Konten hinterlegt, so Grenke. Man habe sich den Saldo telefonisch von der Bundesbank bestätigen lassen. Eine schriftliche Saldenbestätigung legt der Konzern aber nicht vor, damit verpasst man eine Chance, hier letzte Zweifel auszuräumen. Das soll nun im Rahmen einer Sonderprüfung geschehen. Grenke hat KPMG hiermit beauftragt, was auf Kritik stieß: KPMG, bei Wirecard mit der forensischen Prüfung beauftragt, deren Ergebnisse dann quasi der letzte Sargnagel für den Skandal-Konzern wurden, prüft bereits die Bilanzen der MDAX-notierten Gesellschaft. Einen neutralen Dritten zu beauftragen, sei in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, heißt es aus dem Unternehmen zur Entschuldigung. Allerdings stellt eine zusätzliche Prüfung durch eine andere Agentur eine Option für einen späteren Zeitpunkt dar. Und auch KPMGs Neutralität per se anzuzweifeln scheint nicht unbedingt angemessen: Nach Wirecard stehen die Wirtschaftsprüfer generell unter stärkerem Druck, die bereits ermittelnde BaFin ebenfalls. Zudem dürfte die Sonderprüfung im Hause von KPMG nicht in die Hände der Prüfer gelegt werden, die Grenkes Bilanzen testieren.

Auch dem Vorwurf, systematisch mit Betrügern zusammen zu arbeiten, widerspricht Grenke energisch. Bei dem Umfang des Geschäftes sei es nicht ausgeschlossen, dass man in Einzelfällen Opfer von Betrügern werde. Hier hatte vor allem der „Fall Viewable Media” Schlagzeilen gemacht, über den die britische BBC berichtete. Derartige Probleme betreffen laut Grenke aber nur einen minimalen Teil der Verträge - genannt wurde vom Management ein Wert von 0,1 Prozent. Die Zusammenarbeit mit dem Anbieter habe man direkt beendet, als der Betrug bekannt wurde.

Wolfgang Grenke: Gründer, Großaktionär, langjähriger Vorstandschef und derzeit stellvertretender Aufsichtsratschef der Grenke AG. Bild und Copyright: Grenke.



Auch Grenke lässt wichtige Fragen unbeantwortet

Wasserdicht waren aber auch die Argumente von Grenke bei näherem Hinsehen nicht in allen Punkten, gerade was die Expansion im Ausland über das Franchise-System angingen - einer der zentralen Kritikpunkte im Viceroy-Report, wenn auch nicht die existenzielle „Smoking Gun”, die Liquiditätsprobleme für das Unternehmen hätten sein können. Im Fokus dabei: Die CTP Handels- und Beteiligungs GmbH, die eine zentrale Rolle in der Finanzierung neuer Franchise-Gesellschaften der Grenke-Gruppe spielt und Anfang 2020 vom Konzerngründer, langjährigen Vorstandschef und derzeitigen stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Grenke übernommen wurde.

Strittig ist vor allem, ob Wolfgang Grenke über Dritte und ein Firmengeflecht schon zuvor die Kontrolle über diese Gesellschaft gehabt hat und ob es hier Verstöße gegen Compliance-Grundsätze gab. Der Vorwurf: Grenke habe von CTP Gesellschaften im Ausland erworben, die de facto unter der Kontrolle des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden und früheren Konzernchefs gestanden haben sollen. Grenkes Management bestritt, dass vor der Übernahme der CTP-Muttergesellschaft Sacoma durch Wolfgang Grenke personelle oder gesellschaftliche Verflechtungen jedweder Art bestanden haben, die maßgeblich gewesen sein könnten. Wer vorher hinter diesen Gesellschaften stand, ließ man aber offen. Der ehemalige Konzernchef beteilige sich zudem nicht an Entscheidungen über das Franchisegeschäft. Darüber hinaus blieb Grenke neben der Frage der Verflechtungen und Kontrolle über CPT unkonkret, spielte die Bedeutung der korrespondierenden Bilanzposition herunter, durchaus nicht unberechtigt, in Summe rund 100 Millionen Euro schwer, betonte an anderer Stelle aber wieder deren wichtige Bedeutung des Franchise-Systems für das Wachstum des Unternehmens. So nannte man unter anderem keine Details zu den Bewertungen, zu denen man die einzelnen Franchises erwarb, oder andere finanzielle Details über die zahlreichen Unternehmen und Deals in diesem Firmengeflecht. Für Aktionäre und andere Dritte ist damit weder zu analysieren, ob die Käufe zu fairen Preisen oder überteuert verliefen und ob hier mit Hilfe von „Connections” Gelder zu Lasten der Anteilseigner aus dem Unternehmen abgeschöpft wurden, noch ob die aktuellen Bilanzpositionen werthaltig sind. Die Sonderprüfung durch KPMG soll Abhilfe schaffen.

Und es gibt noch weitere Fragen, was die aus Compliance-Sicht potenziell problematischen Beziehungen zu CPT angeht: So soll unter anderem mit Joanna Bielicka eine Vertraute von Wolfgang Grenke schon seit 2008 (!) als Prokuristin für die CTP Handels- und Beteiligungs GmbH tätig gewesen sein, wie dieses Dokument beweisen soll. Mit Thomas Konprecht taucht in dem Dokument ein zweiter guter Bekannter aus der Grenke-Welt auf, der ab 2013 für CTP aktiv gewesen sein soll, und auch die Liechtensteiner Soft-Line AG ist sowohl bei CPT als auch Grenke eine bekannte Größe.

Firmen- und Personengeflechte bei Grenke

Im Spiel ist darüber hinaus auch noch die Schweizer Garuna AG, deren konkrete Rolle weiter Fragen aufwirft, die aber ebenfalls eine Nähe zu Wolfgang Grenke hat. „Bereits ab dem Jahr 2014 erwarb die Garuna AG von der CTP GmbH 10% an einzelnen gehaltenen Franchisebeteiligungen mit dem Ziel, die Beteiligungsquote der CTP an den Franchisegesellschaften auf unter 50% zu reduzieren und damit eine mehrheitliche Beherrschung zu verhindern. Die Aktien der Garuna AG werden von einer persönlichen Vertrauten von Herrn Grenke, Frau Corina Stingaciu (Anm. d Red: In Medienberichten zu dieser Person ist bisweilen auch von Simona Corina Stingaciu die Rede), als wirtschaftliche Berechtigte gehalten”, hieß es am Donnerstag in der Stellungnahme Wolfgang Grenkes zu den Viceroy-Vorwürfen gegen seine Person. Über Stingacius Rolle in dem Geflecht ist bisher wenig bekannt.

Echte Transparenz ist die Grenke-Gruppe inklusive Wolfgang Grenke den Investoren hier bisher schuldig geblieben. Zwar klingt der „Fall CTP” erst einmal wenig spektakulär, doch tatsächlich könnten diese Interessenskonflikte Grenke reichlich Investorenvertrauen kosten, wenn sich der Vorwurf bewahrheitet. Für Grenke bleibt Vertrauen aber eine zentrale Währung, wenn es um die Refinanzierung geht - im Businessmodell von Finanzdienstleistern eine existenzielle Größe, auf der das Geschäft aufbaut und an der sich die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Angebote entscheidet. Erhärtet sich der Verdacht, dass es bei den Franchise-Deals zweifelhafte Methoden gab, könnte dies für Grenke große Probleme im Verhältnis zu Geldgebern nach sich ziehen und die Bonität wie Refinanzierung belasten - und das könnte wiederum ein potenziell existenzgefährdendes Risiko für den MDAX-Konzerns werden. Die Ratingagentur S&P hat bereits eine mögliche Überprüfung von Grenkes Bonitätseinstufung angekündigt.

Die Grenke Aktie hat den Handel am Freitag übrigens mit 33,30 Euro beendet - ein Minus von 6,6 Prozent zum Vortag und nicht weit über dem Tagestief. Kurz nach der Veröffentlichung der Stellungnahme war das Papier noch auf 38,40 Euro hoch geschossen, hatte dann aber wieder an Wert verloren. Das zeigt: Überzeugt hat Grenke die Börse nicht. Und die letzte Runde im Duell „Grenke vs. Viceroy” ist längst noch nicht eingeläutet. Kommende Woche will Grenke entscheiden, ob man rechtlich gegen Viceroy und Perring vorgehen wird. Ermittlungen der BaFin laufen - ausdrücklich in alle Richtungen. Und nicht zuletzt hat Perring bereits eine Reaktion auf die Stellungnahme von Grenke angekündigt. Von Ruhe ist man in der Konzernzentrale in Baden-Baden und an der Börse bei der Grenke Aktie auch nach dem Freitag weit entfernt.

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