Wirecard: Ja dann macht es doch endlich! - Kommentar
Zwei Aussagen von Wirecard hört man in den letzten Tagen und Wochen immer wieder. Zum einen: Das operative Geschäft läuft stark. Zum anderen: Der Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Rajah & Tann, den Wirecard angesichts fragwürdiger Geschäftsvorfälle bei asiatischen Aktivitäten in Auftrag gegeben hat, sei nahezu abgeschlossen und werde in Kürze vorgelegt. Schon Anfang Februar hieß es in einer Telefonkonferenz der Gesellschaft, dass die großen Schritte bei Arbeiten an dem Untersuchungsbericht erledigt seien. Seitdem sind fast sieben Wochen ins Land gegangen und man ist keinen Schritt weiter. Die Börse ist genauso schlau wie vorher.
Da hilft es dem Aktienkurs wenig, wenn Konzernchef Markus Braun in einem auf Twitter von Wirecard verbreiteten Video, das sich an die Mitarbeiter wendet, genau die gleichen Parolen wiederholt. An der Börse kennt man die Ansichten des Wirecard-Lenkers zur Genüge, seine demonstrative Gelassenheit, die Dementis der Berichte, die vor allem in der „Financial Times” auftauchten und den Aktienkurs von 169 Euro auf 86 Euro abstürzen ließen, die laufende Betonung des starken operativen Geschäfts, über das Wirecard in einer seinesgleichen suchenden Mitteilsamkeit ohnehin am laufenden Band per PR-News berichtet, die permanenten Hinweise auf die hohe Innovationskraft des Fintech-Konzerns. Alles bekannt, alles eingepreist.
Was den Börsianern fehlt, sind belastbare Fakten, schwarz auf weiß präsentiert. „Ja dann macht es doch endlich”, möchte man Wirecard entgegen brüllen, wenn wieder einmal betont wird, dass der Untersuchungsbericht in Kürze vorgelegt wird. Ausgerechnet bei dieser so wichtigen Nachricht lässt der sonst so mitteilsame Konzern seine Aktionäre warten - sehr lange warten. Am Markt sind bereits Stimmen zu hören gewesen, die sich über die lange Dauer der Untersuchungen laut wundern, die sich seit Monaten hinziehen.
Dass Wirecard den Kampf um die Glaubwürdigkeit an der Börse nicht durch permanent wiederholte Beteuerungen gewinnen kann, zeigt ein Blick auf die aktuellen Aktienkurse. Vom Crash-Tief bei 86 Euro hat sich die Notierung zwar erholt und pendelt derzeit um 101 Euro, doch das Niveau vor den Berichten in der „Financial Times” wurde in den letzten Wochen nicht einmal ansatzweise erreicht - und das, obwohl sich Shortseller dank der BAFin-Verfügung das Spiel von der Seitenlinie anschauen müssen. Man kann nur spekulieren, wie tief Wirecards Aktie derzeit notieren würde, wenn sich die Hedgefonds nicht beim Zuschauen die Nase von außen an den Fenstern plattdrücken müssten, sondern mitmischen dürften.
Bei aller gebotenen Sorgfalt, die der Untersuchungsbericht erfordert: Wirecard muss liefern. Zeitnah.
Mehr zu Wirecard lesen Sie in unserem Bericht vom Freitagmorgen - Wirecard Aktie: Der letzte Trumpf.