EZB macht Nägel mit Köpfen - Commerzbank Kolumne
Die Europäische Zentralbank richtet als Reaktion auf den Konjunkturabschwung ihre Geldpolitik künftig expansiver aus. Zwei Maßnahmen haben gestern die Märkte bewegt: Zum einen hat sie ihre „Forward Guidance“ geändert. Die EZB avisiert nun, den Leitzins bis zum Jahresende unverändert zu lassen (bislang: „bis über den Sommer“). Eine Anpassung in diese Richtung war von vielen Beobachtern erwartet worden. Auch an den Finanzmärkten war eine Zinserhöhung vor der Sitzung nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 20% eingepreist. Des Weiteren wird die EZB Ende September eine Serie von neuen zielgerichteten, langfristigen Krediten für Banken (TLT-RO =Targeted Longer-Term Refinancing Operations). beginnen. Dies ist die dritte Serie (TLTRO-III). Sie endet im März 2021. Die Laufzeit der Tender ist jeweils zwei Jahre. Damit können sich die Banken bis zum März 2023 refinanzieren. Beim TLTRO-II betrug die Laufzeit jeweils vier Jahre. Die neuen Tender sollen die Geldpolitik glätten. Da die Gelder aus dem TLTRO-II wegen der kurzen Restlaufzeit nach den Regeln der Finanzaufsicht nicht mehr als langfristige Finanzierung gelten, haben die Banken einen Anreiz die Mittel zurückzugeben. Damit dies die Kreditvergabe nicht negativ beeinflusst, hat die EZB gestern eine Neuauflage beschlossen. Zudem hat die EZB ihre Projektionen an die schwachen Konjunkturdaten angepasst: Für 2019/2020/2021 erwartet sie ein Wachstum von 1,1%/1,6%/1,5%. Auch ihre Inflationserwartungen hat die ECB auf 1,2%/1,5%/1,6% (bislang: 1,6%/1,7%/1,8%) gesenkt. Damit wäre die Inflation auch 2021 noch klar vom Inflationsziel entfernt.
Anleihen
Japan: Bruttoinlandsprodukt (4. Quartal), 0:50 Uhr
Deutschland: Auftragseingänge Industrie (Jan.), 8 Uhr
Frankreich: Industrieproduktion (Jan.), 8:45 Uhr
Italien: Industrieproduktion (Jan.), 10 Uhr
USA: Arbeitsmarktdaten (Feb.), 14:30 Uhr
In Erwartung einer geldpolitischen Lockerung der EZB konnten Anleihen schon vor der EZB-Sitzung Kursgewinne verzeichnen. Die Annahmen wurden dann auch bestätigt. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ging dementsprechend deutlich zurück und erreichte ein neues Jahrestief bei 0,062%. Besonders kräftig reagierte der Euro. Er verlor gegenüber dem US-Dollar zwischenzeitlich über 1% und fiel unter die Marke von 1,12 US-Dollar je Euro. Die Europäische Zentralbank überraschte mit einem umfang-reichen Maßnahmenpaket und reagierte damit auf die sich stark eingetrübten Konjunkturaussichten. Die Leitzinsen sollen jetzt bis mindestens Ende 2019 unangetastet bleiben (bisherige Formulierung „über den kommenden Sommer hinaus“). Zudem beschloss die EZB, den Banken des Euroraums neue Langfristkredite zur Verfügung stellen. Diese neuen Geldspritzen werden ab September 2019 bis März 2021 angeboten mit einer jeweiligen Laufzeit von zwei Jahren. Die Projektionen für Konjunktur und Inflation für die kommenden drei Jahre wurden gesenkt (siehe „Im Blickpunkt“). Der Euroraum hat im Schlussquartal 2018 seinen moderaten Wachstumskurs wie erwartet fortgesetzt und zwar mit 0,2% Q/Q. Im Gesamtjahr 2018 betrug das BIP-Wachstum 1,8% und war somit spürbar schwächer als im Vorjahr mit 2,4%. Heute früh überraschten die Auftragseingänge der deutschen Industrie mit einem deutlichen Rückgang von 2,6% im Januar im Vergleich zum Vormonat negativ (-3,9% J/J). Aufgrund von nachgemeldeten Großaufträgen wurden die Dezemberdaten von -1,6% auf +0,9% (M/M) nach oben revidiert.
Aktien
Air France-KLM, Verkehrszahlen
Die europäischen Aktienmärkte tendierten am gestrigen Donnerstag schwächer. Die Sorge, dass sich die globale Konjunktur weiter abschwächen könnte, drückte auf die Kurse. Das IWH (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle) senkte die Wachstumsprognose für Deutschland für 2019 deutlich. Die Entscheidung der EZB, den Leitzins bis Ende 2019 unangetastet zu lassen, beflügelte die Märkte nur kurz. Die Prognosesenkungen der Währungshüter für das Wachstum und die Inflation lastete nachmittags auf den Börsen. Zyklische Werte hatten es in diesem Umfeld recht schwer. So verlor beispielsweise die Aktie von ThyssenKrupp 3,4% und erzielte ein neues Jahrestief. Die Automobilwerte standen ebenfalls unter Druck, teilweise auch infolge negativer Analystenkommentare und Votenherabstufungen wie bei Daimler und BMW. Die Aktie von Continental verlor 1,8%, obwohl das Unternehmen trotz eines Umsatzrückgangs die Dividende erhöhte. Der Reifenhersteller warnte vor einem insgesamt schwierigen Umfeld, vor allem in China, bestätigte aber seine Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr. In der zweiten Reihe verlor die Aktie von Axel Springer nach Bekanntga-be eines enttäuschenden Ausblicks 6,7%. In diesem Umfeld fiel der Dax um 0,6%. Tagesverlierer war die Aktie der Deutschen Bank (-5,1%), die auch unter den stark fallenden Renditen litt (Vonovia: +3,9%). Auf europäischer Sektorenebene waren insbesondere Versorgeraktien gefragt (+1,9%). Am Ende der Performancerangliste notierten Rohstoffwerte (- 2,2%). Die Börsen in den USA tendierten schwächer. Der Dow Jones-Index verlor 0,8%. Auf Sektorenebene waren Versorgeraktien (+0,3%) gefragt. Dagegen büßten Gebrauchsgüteraktien als Tagesverlierer rd. 1,4% ein. Die Börsen in Asien tendierten zum Wochenschluss schwächer. In China kam es zu kräftigen Gewinnmitnahmen (Schanghai A-Index : -4,4%). Schwache Handelsdaten belasteten.