UK: Ein neues Unabhängigkeitsreferendum nach der Wahl in Schottland? - Nord LB
Die Scottish National Party (SNP) ist bei der Parlamentswahl in Schottland wieder zur stärksten Kraft geworden. Im Vergleich zur Wahl in 2016 konnte zwar nach noch nicht endgültigen Ergebnissen ein Mandat hinzugewonnen werden, mit nun 64 Sitzen scheiterte die Partei jedoch ganz knapp an der absoluten Mehrheit. Mit den Stimmen der Grünen gibt es im neuen Parlament allerdings auf jeden Fall dennoch ein klares Überwiegen der Befürworter der Unabhängigkeit Schottlands vom Rest des Vereinigten Königreichs. Die SNP-Vorsitzende Nicola Sturgeon sieht daher nach den Ergebnissen des jüngsten Urnengangs ein klares Mandat dafür, ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum zu fordern. Ihr erklärtes Ziel ist es nun, sich von London zu lösen und Schottland dann perspektivisch wieder in die EU zu führen. Bei der Brexit-Abstimmung hatte sich eine Mehrheit der Schotten bekanntlich für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU ausgesprochen.
Kurzfristig ist sicherlich nicht mit einem erneuten Referendum zu rechnen. Die relevanten Entscheidungsträger in Edinburgh und London haben jeweils einen sehr großen Anreiz, zunächst noch auf Zeit zu spielen. Boris Johnson will grundsätzlich kein erneutes Referendum. Sollte sich eine entsprechende Abstimmung allerdings wirklich nicht abwenden lassen, läge es zweifellos in seinem Interesse, diese nicht vor der nächsten Unterhauswahl anzusetzen. In England erfahren die Konservativen aktuell nämlich viel Zuspruch. Vor allem im Norden dieses Teils des Vereinigten Königreichs hat man der Labour-Partei viele eigentliche Stammwähler abnehmen können. Johnson will ohne jeden Zweifel nicht als der Premierminister zur nächsten Unterhauswahl antreten, der die Einheit des Landes verspielt hat. Auch Nicola Sturgeon hat keinen Anreiz, nun voreilig ein neues Referendum zu fordern. Der SNP ist klar, dass eine entsprechende Abstimmung gut vorbereitet werden muss.
Die neuen Bestrebungen Schottlands für eine Unabhängigkeit könnten auch den Konflikt in Nordirland weiter verschärfen. Teile der Bevölkerung hier würden es bekanntlich bevorzugen, sich ebenfalls von London zu lösen, um dann Teil der Republik Irland zu werden. Viele ausgesprochene Gegner dieses Ansinnens sind auf Boris Johnson allerdings auch sehr schlecht zu sprechen. Sie lehnen die Zollgrenze zu den anderen Regionen Britanniens entschieden ab und sehen hier in der Zukunft eine mögliche Sollbruchstelle. London kämpft derzeit in der Summe also mit den großen politischen Nachwehen der Entscheidung für den Brexit.
Fazit: Die SNP sieht in den aktuellen Wahlergebnissen einen Auftrag zur Lösung von London. In Schottland wird man daher nun versuchen, ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum herbeizuführen. Dies wird Zeit brauchen. Insofern ist nicht mit zügigem „Newsflow“ zu rechnen. Die Finanzmärkte müssen die Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands aber genau im Auge behalten. Es drohen neue politische Verunsicherungen. Perspektivisch könnten sich durch größere mögliche Turbulenzen beispielsweise Belastungen für das Pfund ergeben. Noch haben die Entscheidungsträger in Edinburgh und London aber einen großen Anreiz auf Zeit zu spielen.