„Sell in May and go away“: Schlecht bedient, wer 2020 dieser Empfehlung folgte - Börse München
Verhaltenes Marktgeschehen: Die deutschen Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche überwiegend Verluste verzeichnet, wobei diese eher moderat ausgefallen sind. Die Anleger hielten sich über weite Strecken zurück, was Beobachter unter anderem mit dem Abwarten vor anstehenden Quartalszahlen sowie vor der Ratssitzung der US-Notenbank begründeten – zumindest letztere brachte dann allerdings keine Überraschungen. Bei den Unternehmenszahlen gab es wie meist Licht und Schatten, übel nahmen die Anleger oftmals die Ausblicke. Am vergangenen Donnerstag belasteten Verkäufe bei Automobiltiteln wie BMW und Volkswagen die Märkte. Nachrichten, dass Autobauer aufgrund des anhaltenden Mangels an Halbleitern zunehmend ihre Produktion drosseln müssten, wurden zum Anlass genommen, Gewinne der jüngeren Vergangenheit zu realisieren.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) gab im Wochenvergleich 0,9 Prozent auf 15.135,91 Punkte ab. Die Titel der Deutschen Bank allerdings koppelten sich vom allgemeinen Trend ab, kletterten auf Wochensicht um knapp 19 Prozent und markierten ihren höchsten Stand seit über drei Jahren. Die Bank hatte mit ihren Quartalszahlen positiv überrascht. Der MDax sank im Wochenvergleich um 0,2 Prozent auf 32.704,67 Zähler. Der TecDax ging um 0,5 Prozent auf 3.503,01 Punkte zurück. Dagegen sprang der m:access All-Share um 4,5 Prozent auf 2.965,91 Zähler, der Index auf das Mittelstandssegment hatte in den vorangegangenen zwei Wochen aber auch deutlich nachgegeben. Vor allem beim Indexwert PREOS Global Office Real Estate & Technology, der zwei Wochen zuvor stark gelitten hatte, setzte einen Gegenbewegung ein, der Kurs legte um über 36 Prozent zu.
Die Kurse an den deutschen Anleihemärkten haben in der vergangenen Woche spürbar nachgegeben. Vor allem einige stark ausgefallene Konjunkturdaten beflügelten den Konjunkturoptimismus und die Risikoneigung der Anleger und belasteten somit die als sicher geltenden Bundespapiere. Auch die Fortschritte bei den Impfkampagnen in einigen Ländern sorgten für Zuversicht. In der Folge zog die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihe im Wochenvergleich von -0,26 auf -0,20 Prozent an, am vergangenen Donnerstag verzeichnete sie mit -0,18 Prozent zeitweise sogar ihren höchsten Stand seit rund einem Jahr. Die Umlaufrendite stieg von -0,33 auf -0,27 Prozent.
Die US-Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche letztlich überwiegend ein Minus verzeichnet. Geschuldet war dies auch Gewinnmitnahmen am vergangenen Freitag, nachdem am Vortag wichtige Indizes Rekordhochs markiert hatten. Der Dow-Jones-Index gab im Wochenvergleich 0,5 Prozent auf 33.874,85 Punkte ab. Der breiter gefasste S&P-500-Index beendete die Handelswoche gegenüber seinem Vorwochenendstand praktisch unverändert bei 4181,17 Zählern, der technologielastige Nasdaq-100-Index sank um 0,6 Prozent auf 13.860,76 Punkte. Die beiden Letzteren hatten am vergangenen Donnerstag neue Höchstmarken erreicht.
Ausblick
Eine wahre Zahlenflut steht an, aber dennoch sind die Erwartungen an die aktuelle Woche an den deutschen Aktienbörsen grundsätzlich die gleichen wie in der Vorwoche: Von einer harten Korrektur geht kaum ein Beobachter aus, von neuen Rekordständen allerdings auch nicht. Zwar sprechen unverändert die anhaltend extrem lockere Geldpolitik, der zunehmende Konjunkturoptimismus und der Mangel an seriösen Alternativen für Aktien, allerdings sind nach Ansicht vieler Experten diese Pluspunkte in den aktuelle Kursniveaus bereits eingepreist.
Die Einschätzung, ob und wenn ja, wie stark die Bewertungen von Unternehmen inzwischen überzogen sind, dürfte in hohem Maße von Unternehmenszahlen und -ausblicken abhängen. Und von diesen gibt es in den kommenden Tagen reichlich. So legen aus dem Dax unter anderem Adidas, BMW, Deutsche Post, Fresenius, Infineon, Siemens, Volkswagen und Vonovia erstmalig oder detailliert Quartalsdaten vor. Aus der zweiten und dritten Börsenreihe steht ebenfalls eine Flut an Veröffentlichungen an, beispielsweise berichten die Corona-Krisengewinner HelloFresh und Teamviewer.
Auf makro-ökonomischer Ebene könnten die anstehenden Wirtschaftsdaten für Impulse an den Märkten sorgen. Dabei dürfte sich das Interesse der Anleger in Hinblick auf europäische Zahlen auf die Einkaufsmanagerindizes sowie die Werkaufträge und die Industrieproduktion in Deutschland richten. In den USA werden ebenfalls die Werkaufträge sowie Einkaufsmanagerindizes veröffentlicht, der Fokus dürfte hier aber auf den Arbeitsmarktzahlen liegen.
Nicht fehlen darf in einem Ausblick zu Beginn dieses Monats natürlich der inzwischen fast zu Tode zitierte Börsenspruch „Sell in May and go away“. Im vergangenen Jahr war schlecht bedient, wer dieser Empfehlung folgte, und trotz aller statistischer Erhebungen, die Mai und Juni als eher schwächere Börsenmonate sehen, raten viele Analysten auch in diesem Jahr von einer Befolgung der Regel ab.
Ausgewählte wichtige Termine der Woche
Montag, 03.05.: Einzelhandelsumsätze in Deutschland; Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland und der Eurozone; ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe in den USA; Gesamte Fahrzeugverkäufe in den USA
Dienstag, 04.05.: Werkaufträge in den USA; Handelsbilanz der USA
Mittwoch, 05.05.: Dienstleistungsindizes für Deutschland und die Eurozone; Erzeugerpreise in der Eurozone; ADP-Arbeitsmarktbericht (USA); ISM-Index für das nicht-produzierende Gewerbe in den USA; Markit PMI Gesamtindex (USA)
Donnerstag, 06.05.: Werkaufträge in Deutschland; Einzelhandelsumsätze in der Eurozone; Ergebnis der geldpolitischen Sitzung der Bank of England; Arbeitsproduktivität außerhalb der Landwirtschaft in den USA; Protokoll der vergangenen Ratssitzung der Bank of Japan
Freitag, 07.05.: Industrieproduktion in Deutschland; Handelsbilanz Deutschlands; US-Arbeitsmarktbericht; Verbraucherkredite in den USA; Handelsbilanz Chinas
Autor: Dr. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG