Euroland: Zweiter BIP-Rückgang in Folge, kräftige Erholung erwartet - Nord LB
Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat heute ihre erste Schätzung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone im ersten Quartal veröffentlicht. Erwartungsgemäß haben die Corona-Krise und die Lockdownmaßnahmen die Wirtschaftsleistung zum Jahresauftakt erneut gebremst. Das preis- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt ist im Vergleich zum Vorquartal allerdings nur moderat um 0,6% geschrumpft. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ergibt sich ein Rückgang um -1,8%. Die Daten liegen etwas über den Erwartungen der Analysten und Volkswirte.
Weite Teile Europas litten auch zum Jahresbeginn unter den hohen Infektionszahlen und den staatlichen Eindämmungsmaßnahmen in der Coronakrise. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wurde trotz der Länge der Lockdowns jedoch deutlich weniger stark ausgebremst als während der ersten Welle vor einem Jahr. Teilweise kompensierte die robuste Entwicklung im verarbeitenden Sektor die Einbußen in den besonders von Kontaktbeschränkungen betroffenen Wirtschaftsbereichen. Die Industrieunternehmen profitierten dabei auch von der in anderen Regionen bereits weiter fortgeschrittenen Konjunkturerholung und einer entsprechend kräftigen Auslandsnachfrage.
Die bislang vorliegenden Daten aus den einzelnen Mitgliedsländern belegen, dass die gesamtwirtschaftliche Aktivität insgesamt erstaunlich stabil blieb. Während in Italien (-0,4% Q/Q) und Spanien (-0,5%) moderate Rückgänge zu verzeichnen waren, überraschte Frankreich mit einer Expansion von 0,4% Q/Q. Allerdings hatte die französische Regierung den neuen Lockdown erst verzögert beschlossen, was eine Hypothek für das Erholungstempo im zweiten Quartal darstellt.
In Deutschland sank die Wirtschaftsleistung hingegen deutlich (-1,7% Q/Q), zugleich wurden aber die Daten für das zweite Halbjahr 2020 aufwärts revidiert. Neben dem Lockdown haben hier auch weitere Sonderfaktoren temporär die Wirtschaftsleistung ausgebremst. Die ungewöhnlich widrigen Witterungsverhältnisse führten zu Einbußen bei der Bauproduktion, und wegen der bis zum Jahreswechsel geltenden Ermäßigungen bei den Mehrwertsteuersätzen haben Verbraucher vor allem bei langlebigen Wirtschaftsgütern Anschaffungen vorgezogen. Dies hat allerdings eine zusätzliche Lücke im ersten Quartal verursacht. Diese Effekte sind eher temporärer Natur und Aufholeffekte dürften der bereits für das Frühjahr erwarteten Gegenbewegung zusätzlichen Schub verleihen.
Mit dem zweiten BIP-Rückgang in Folge ist die – sehr mechanistische – Definition einer double-dip-Rezession erfüllt. Allerdings befindet sich die Wirtschaft der Eurozone bereits wieder auf dem aufsteigenden Ast. Impffortschritte und die Aussicht auf sukzessive Öffnungen der Wirtschaft haben eine massive Verbesserung der Wirtschaftsstimmung bewirkt. Insofern war der konjunkturelle Aufholprozess wie erwartet im Winterhalbjahr nur unterbrochen. Für 2021 und 2022 ist im Euroraum ein BIP-Wachstum von jeweils rund 4,5% realistisch. Dennoch: Erst im Laufe von 2022 wird das Vorkrisenniveau erreicht. EZB-Chefvolkswirt Lane hat darauf verwiesen, dass die Unterauslastung gesamtwirtschaftlich noch länger hoch bleibt. Die Wirtschaft steht noch nicht auf eigenen Beinen, die Erholungsperspektive stützt sich auch noch auf geld- und fiskalpolitische Krücken.
Fazit: Die Wirtschaftsleistung in der Eurozone ist wie erwartet auch zum Jahresauftakt 2021 geschrumpft. Das reale Bruttoinlandsprodukt ging im ersten Quartal aber nur moderat um 0,6% zum Vorquartal zurück. Während Frankreich positiv überraschte, fiel der Rückgang in Deutschland wegen des Lockdowns und weiterer Sondereffekte wie erwartet kräftig aus. Allerdings belegt der rasante Anstieg der Stimmungsindikatoren, dass sich die Wirtschaft aktuell wieder auf dem aufsteigenden Ast befindet. Angetrieben von Hoffnungen auf einen baldigen Erfolg der Impfungen und gestützt durch geld- und fiskalpolitische Krisenpolitik wird das Wachstum im Jahresverlauf deutlich anziehen. Für 2021 und 2022 erwarten wir Wachstumsraten jeweils von rund 4,5%. Gleichwohl darf die Unterstützung nicht zu früh entzogen werden. Die EZB wird daher vorerst an ihrer vorsichtigen Grundhaltung festhalten.