Deutschland: Keine (technische) Rezession, Risiken bleiben aber hoch - Nord LB Kolumne
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat heute eine erste Schätzung zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Sommer veröffentlicht. Demnach konnte die reale Wirtschaftsleistung im dritten Quartal überraschend leicht zulegen. Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt verbesserte sich im Vergleich zum Vorquartal um 0,1% Q/Q. Zugleich wurden die Werte für die Vorperioden teilweise revidiert. Insgesamt ergibt sich somit ein leichter Anstieg der Jahresrate auf 0,5% Y/Y bzw. ohne eine Bereinigung um Arbeitstageeffekte auf 1,0% Y/Y.
Die heutigen Zahlen stellen eine positive Überraschung dar, die meisten Volkswirte hatten im Vorfeld eine Quartalsrate zwischen 0,0% und -0,1% erwartet. Dies sind zwar nur marginale Unterschiede. Dieses Mal entschied sich hieran aber die Frage, ob die deutsche Volkswirtschaft im Sommer die Definition einer technischen Rezession erfüllt oder nicht. Somit wird die öffentliche Wahrnehmung nun nicht von Rezessionsmeldungen geprägt. Dies ist die positive Nachricht heute, denn eine Rezessionsdebatte birgt immer die Gefahr einer zusätzlichen Verschlechterung der Wirtschaftsstimmung. Zumindest vorerst kann das R-Wort nun wieder in der Kiste verschwinden.
Auch wenn die Details erst Ende der kommenden Woche veröffentlicht werden, geben die monatlichen Konjunkturindikatoren – sowie die qualitativen Aussagen in der heutigen Pressemeldung der Wiesbadener Statistiker – klare Hinweise auf die Zusammensetzung der konjunkturellen Stabilisierung im dritten Quartal. Ein nochmaliges Schrumpfen der Wirtschaftsleistung wurde demnach vor allem durch eine Expansion des privaten und öffentlichen Konsums verhindert. Positive Wachstumsimpulse kamen zudem von den Nettoexporten, was vor dem Hintergrund der schwachen Dynamik des Welthandels durchaus etwas überrascht. Unbeeindruckt von den globalen Risiken zeigten sich die deutschen Unternehmen gleichwohl nicht. So wurde weniger in Ausrüstungen als im Vorquartal investiert, während die Bauinvestitionen nochmals ausgeweitet wurden.
Die große Frage ist, ob dies bereits ein konjunktureller Wendepunkt sein könnte, zumal in den vergangenen Wochen positivere Signale bei den großen Risikofaktoren Brexit und Handelskrieg zu vernehmen waren. Aus unserer Sicht ist mit Blick auf die Wirtschaftsentwicklung weiter Vorsicht geboten. Zwar gibt es erste Anzeichen einer zyklischen Bodenbildung, diese steht jedoch noch auf sehr wackligen Füßen und bleibt anfällig für politisches Störfeuer. Zugleich sieht sich die deutsche Wirtschaft vor großen strukturellen Herausforderungen (Automobilindustrie, Klimawandel, Demographie) und über ihr schwebt nach wie vor das Damoklesschwert von US-Strafzöllen auf Fahrzeugimporte. Vor diesem Hintergrund halten wir an unserer verhaltenen Konjunkturprognose von 0,5% für 2019 und 0,8% für 2020 fest. Eine Schwalbe macht eben noch keinen Konjunktursommer!
Fazit: Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im dritten Quartal überraschend leicht gestiegen. Das reale Bruttoinlandsprodukt legte um 0,1% zur Vorperiode zu, vor allem vom Konsum und den Nettoexporten kamen positive Wachstumsimpulse. Eine Debatte über eine (technische) Rezession, von der die Gefahr einer zusätzlichen Verschlechterung der Wirtschaftsstimmung hätte ausgehen können, ist somit erstmal vom Tisch! Wir mahnen aber weiter zur Vorsicht: Bei den großen politischen Risiken (Brexit, Handelskrieg) zeichnen sich zwar Verschnaufpausen ab, eine echte Lösung der Probleme ist jedoch noch in weiter Ferne und Rückschläge bleiben jederzeit möglich. Wir halten daher an unserer Konjunkturprognose von 0,5% für 2019 bzw. 0,8% für 2020 fest. Die heutigen Zahlen könnten der Beginn einer Bodenbildung sein – nicht mehr, aber auch nicht weniger!