Powell verweigert Zinssenkungsgarantie in Jackson Hole - DWS Kolumne
In Zeiten erhöhter politischer Unsicherheit haben es auch Zentralbanken nicht leicht, eine klare Botschaft zu vermitteln. Dies zeigte sich sehr deutlich bei der jüngsten geldpolitischen Entscheidung der Federal Reserve. Das obligatorische Pressestatement und die Frage-und-Antwort-Runde im Anschluss lieferten den Märkten wenig konkrete Antworten für den Grund der Leitzinssenkung. Etwas mehr Einblick in die aktuelle Gemütslage der amerikanischen Notenbanker erhofften sich Marktteilnehmer vom Sitzungsprotokoll, welches am Mittwoch veröffentlicht wurde. Doch auch hier wurde man auf der Suche nach Konkretem enttäuscht. Die einzelnen Teilnehmer der Notenbanksitzung bemühten gleich drei verschiedene Gründe in jeweils unterschiedlicher Gewichtung für die Entscheidung. Zwar sei der wirtschaftliche Ausblick günstig, doch mache man sich Sorgen über die Entwicklung der globalen Konjunktur – auch aufgrund des Handelskonflikts. Die durch ihn bereits angerichteten Schäden (Grund 1), sowie die noch erwarteten negativen Effekte (Grund 2) sollten durch die Zinssenkung kompensiert werden – Risikomanagement wurde dies genannt. Ferner hatte man grundsätzliche Bedenken (Grund 3) in Bezug auf die aktuelle Ausrichtung der Geldpolitik. Die Inflation ist weiterhin schwach und Lohndruck bleibt, trotz niedriger Arbeitslosigkeit, recht moderat. Zwei der Notenbanker sprachen sich gar gegen eine Anpassung aus, zwei weitere plädierten für eine noch stärkere Senkung der Leitzinsen. Grundsätzlich, so die vermeintliche Einigkeit, sei die geldpolitische Anpassung nicht als der Einstieg für weitere automatische Zinssenkungen zu verstehen, sondern als Versicherung, welche je nach Entwicklung und Datenlage aufgestockt werden könne.
Nach dieser recht schwammigen Ausgangslage lagen große Hoffnungen auf der Eröffnungsrede des Fed Präsidenten Jerome Powell bei der alljährlichen Notenbankkonferenz im malerischen Jackson Hole, Wyoming. Powell versicherte erneut, dass man angemessen auf Risiken und potentielle Schwächen der Wirtschaft reagieren würde, jedoch gab er keine Hinweise auf ein aggressiveres Vorgehen oder gar einen Zinssenkungs-Automatismus. Allerdings fand Powell klare Worte für die Entwicklungen seit dem letzten Zinsentscheid. So sieht die Fed Anzeichen dafür, dass sich das globale Wachstum, auch als Konsequenz des Handelskriegs, weiter verlangsamen könnte. Anderseits gibt es keine konkreten Regeln, wie die Geldpolitik auf den Handelskonflikt zu reagieren habe. Die breitgefächerten Kommentare seiner Kollegen am Rande der Veranstaltung spiegeln eben jene Diversität wieder, die man bereits vom Sitzungsprotokoll kannte.
Jerome Powell ist sicher nicht zu beneiden. Einerseits hat er mit einem US-Präsidenten zu tun, der regelmäßig per Twitter versichert, dass er mit seiner Amtsführung unzufrieden ist. Andererseits hat er es mit Anlegern zu tun, die ihm, je nach Lesart, mittels Terminzinssätzen aufzeigen, wohin die Reise der Fed Funds eigentlich gehen sollte. Diese Erwartungen sollen dann aber bitte noch übertroffen werden. Und was Märkte in Bezug auf Zentralbanken mit "übertreffen" meinen, kennt nur eine Richtung: eine noch lockerere Geldpolitik. Ob mit niedrigeren Zinsen oder Anleihekäufen.
Aber mit beidem kann Powell nur verlieren. Dem US-Präsidenten zu folgen und den Märkten mehr zu geben als sie wollen, würde nicht nur der Integrität seiner Institution schaden, sondern auch seine Möglichkeiten einschränken, einem veritablen Abschwung effektiv entgegen treten zu können.
Ohnehin sollte man diese Signale des Marktes und das damit verbundene Enttäuschungspotenzial nicht überschätzen. Denn die sicherste Prognose zukünftiger Fed-Leitzinsen lautete noch stets: alles, nur nicht die vom Terminmarkt erwarteten Sätze.
Wir jedenfalls haben Verständnis für die etwas schwammig anmutende Kommunikation des Jerome Powell, mit der er sich viele Optionen offen hält. Zum einen weil wir der Ansicht sind, dass die US-Konjunktur durchaus robuster ist als weithin, vor allem von den Märkten, angenommen. Auch haben wir die Rückkehr der Inflation nicht komplett abgeschrieben - Zöllen und drohenden höheren Importpreisen sei Dank. Zum anderen haben wir Verständnis für den gewaltigen Spagat zwischen Politik, Handelskrieg, Märkten und Konjunktur.
Autor: Christian Scherrmann, Volkswirt USA