Nord LB – Dax: Keine Euros in Athen?
Zum Start der neuen Handelswoche ist beim Dax nach Verlusten die psychologisch wichtige Marke von 11.000 Punkten in den Fokus gerückt. Das Ausbleiben einer Einigung zwischen Athen und den Rettern hat die Marktteilnehmer, die am Wochenende eigentlich auf zumindest klare Signale in Richtung einer Lösung gehofft hatten, eindeutig negativ überrascht. Die aktuelle Reaktion bei den Kursen der Dividendenpapiere ist gut nachvollziehbar und kann keinesfalls als panisch bezeichnet werden. Der recht maßvolle Druck ist vor allem die Konsequenz einer erhöhten Risikoaversion der Anleger.
In der Summe hat der Markt die Problemlösungskompetenzen der europäischen Politik ganz offensichtlich überschätzt. Auch wir hatten diese Zuversicht für gerechtfertigt gehalten; in der EU war der für alle Seiten gesichtswahrende Kompromiss bisher schließlich der bevorzugte Problemlösungsansatz.
Offenbar konnte man in Brüssel einer Einigung auch schon recht nahe kommen. Die griechische Regierung hat dann aber die Idee eines Referendums am kommenden Sonntag präsentiert und damit offenbar die Selbstrettung vor die Rettung der Staatsfinanzen Athens gestellt. Griechenland droht jetzt als Konsequenz das Geld auszugehen.
Die EZB hat am Sonntag entschieden, das ELA-Volumen für griechische Banken nicht zu erhöhen (aber eben auch nicht zu verringern). Daher musste Griechenland nun in einer für alle Seiten schwierigen Situation auf Kapitalverkehrskontrollen zurückgreifen. Die Banken und die Börse in Athen bleiben zunächst geschlossen.
In diesem brisanten politischen Umfeld ist das Eintreten von unerfreulichen Szenarien, die wir bisher eher als „Unfall“ angesehen hatten, natürlich deutlich wahrscheinlicher geworden. Die Tür für eine Lösung bleibt jedoch zumindest noch einen Spalt weit offen. Der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will noch am heutigen Tag einen neuen Vorschlag zur Rettung der griechischen Staatsfinanzen vorstellen. Für die Verantwortlichen in Brüssel ist die Situation besonders schwierig. Die aktuellen Ereignisse können unserer Auffassung nach in gewissem Umfang schon als Scheitern einer integrativen Lösung für Euroland gewertet werden. Die Währungsunion war ursprünglich als Einbahnstraße gedacht. Sollte es, was nun natürlich zunehmend wahrscheinlicher geworden ist, nicht mehr zu einer Einigung kommen – und Athen dann die Option des „Grexit“ wählen – würden bei einer zukünftigen Krise sofort Sorgen über ein Euroaustritt des entsprechenden Problemlandes aufkommen. Dies kann Brüssel nicht wünschen. Die aktuellen Ereignisse (zum Beispiel die Schlangen vor Geldautomaten in Athen) setzen aber auch die griechische Regierung unter Druck. Das Spiel ist damit noch nicht vorbei. Dennoch wird man spätestens nach dem Referendum der Griechen bestimmte Entscheidungen treffen müssen.
Fazit: Die am Aktienmarkt vorhandenen Hoffnungen auf eine Lösung im Schuldenstreit sind enttäuscht worden. Die Tür für weitere Verhandlungen bleibt zwar vorerst weiter geöffnet, die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von negativen Szenarien hat sich aber natürlich deutlich erhöht. Die negative Reaktion am deutschen Aktienmarkt ist angesichts des veränderten Umfelds auch vom Umfang her gut nachvollziehbar. Die Risikoprämie hat sich erhöht – ein Beben ist aber ausgeblieben.