Nord LB: China BIP (Q3) - Verabschiedung vom Wachstumswahn?
Das National Bureau of Statistics (NBS) hat heute früh Zahlen zum chinesischen BIP-Wachstum im III. Quartal vorgelegt. Im Vorjahresvergleich verzeichnete die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft mit 7,3% die niedrigste Wachstumsrate seit mehr als fünf Jahren. Dennoch ist dieses Ergebnis nicht als Anlass für neuerliche Spekulationen über eine harte Landung Chinas zu nehmen. So präsentiert sich das Wachstum im Rahmen der Erwartungen. Zudem indiziert die Zeitreihe zum Vorquartalsvergleich, dass das Tempo zwar gedrosselt ist, eine harte Landung aber keineswegs konstatiert werden kann: Mit 1,9% Q/Q schlägt annualisiert ein BIP-Wachstum von 7,8% zu Buche.
Auch die Zahlen zur Industrieproduktion im September lassen ein Stück weit aufatmen. Mit 8,0% Y/Y zeigt sich der wichtige Wirtschaftsindikator schon fast im neuen Glanz (Vormonat: 6,9% Y/Y). Ganz ohne Hilfestellung Pekings wird es aber auch hier nicht gegangen sein. Insbesondere der Immobilienmarkt wurde durch Lockerungsmaßnahmen gestützt. Darüber hinaus hat die chinesische Zentralbank die Geldschleusen dezent geöffnet und durch gezielte Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen dem Bankensektor unter die Arme gegriffen.
Beim Umbau des Wachstumsmodells konnte Peking gewisse Fortschritte vermelden. Den offiziellen Angaben zufolge trugen die finalen Konsumausgaben in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres zu 48,5% zum BIP-Wachstum bei, was immerhin eine Verbesserung um 2,7%-Punkte markiert. Seit Jahren ist es das erklärte Ziel Pekings, die Exportlastigkeit des Wachstumsmodells herunter zu fahren. Trotz dieser Erfolgsmeldung der statistischen Behörden muss jedoch festgehalten werden, dass die aktuelle Dynamik maßgeblich durch die Nettoausfuhren bestimmt wird. Mit Blick auf die inländische Nachfrage gibt es aber durchaus freundliche Vorzeichen: Der Median der verfügbaren Einkommen konnte in den ersten drei Quartalen um beachtliche 12,1% (nominal) zulegen.
In Summe ist das Erreichen der politischen Zielvorgabe von „um die 7,5%“ BIP-Wachstum für 2014 realistisch – auch wenn das Umfeld für Peking schwierig bleibt. Am aktuellen Rand ist zudem die Erwartungshaltung in Bezug auf eine Verschärfung des Reformtempos hoch. Auf der seit gestern stattfindenden 4. Plenarsitzung wird Parteichef Xi seine Mitstreiter auf einen neuen politischen Kurs einstimmen, der neben dem Kampf gegen die Korruption auch Justizreformen – selbstverständlich mit chinesischem Antlitz – beinhalten wird. Doch auch Wirtschaftsreformen dürften auf der bedeutenden Parteisitzung diskutiert werden, so dass im Nachgang mit entsprechenden Ankündigungen zu rechnen ist.
Fazit:
China setzt seine weiche Landung fort. Peking bleibt aber in der herausfordernden Lage, einen Einbruch der Wirtschaftsaktivität abzuwenden und gleichzeitig den Umbau des Wachstumsmodells voranzutreiben. Ersteres scheint derzeit mit Hilfe gezielter Lockerungsmaßnahmen zu gelingen. Für ein neues Wachstumsmodell liefern die aktuellen Zahlen immerhin dezente Anzeichen. Auch die zurückhaltende Reaktion der Marktteilnehmer indiziert, dass die Verabschiedung vom Wachstumswahn Formen annimmt.