USA: Hoffen auf weniger Chaos in Washington - Nord LB Kolumne
Vor einigen Minuten sind in den USA erste Zahlen zur Entwicklung des BIPs im II. Quartal gemeldet worden. Erwartungsgemäß kam es zu einer signifikanten Beschleunigung des Anziehens der realen Wirtschaftsaktivität im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Wachstum lag immerhin bei annualisiert 2,6%.
Die vorläufigen Angaben zum US-BIP sind bekanntlich noch sehr revisionsanfällig. Eine zu stark auf Details fokussierende Betrachtung der Zahlen ist daher momentan kaum sinnvoll. Mit Blick auf grundsätzliche Trends in den Daten kann aber wohl schon festgehalten werden, dass die Entwicklung des privaten Konsums als solide bezeichnet werden darf. Die Investitionen hätten sich dagegen durchaus stärker präsentieren können.
Die weiteren Entwicklungstendenzen der US-Wirtschaft sind in nicht zu unterschätzendem Maße abhängig von den Entscheidungen in Washington. Den heutigen Zahlen folgend haben die bereits im II. Quartal zu beobachtenden politischen Turbulenzen das Wirtschaftswachstum in den USA immerhin nicht abgewürgt. Größere stützende Effekte der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung hatten wir für das Jahr 2017 ohnehin nie erwartet. Insofern gibt es keinen großen Raum für negative Überraschungen. Allerdings gehen wir auch weiterhin davon aus, dass mit Blick auf die Steuerreform bis zum Winter – sozusagen als Plan B – zumindest eine „kleine“ Lösung auf den Weg gebracht werden kann.
Dabei dürfte sich vor allem eine Senkung der Steuersätze im Unternehmensbereich ergeben. Zudem scheint sich ein Konsens bei den Maßnahmen zur Förderung der Repatriierung von im Ausland geparkten Unternehmensgewinnen abzuzeichnen. Dies ist vor allem von zentraler Bedeutung für die Aktienmärkte. Bei der Einkommensteuer will das Weiße Haus nun offenkundig vor allem der Mittelschicht entgegenkommen. Ansätze, die insbesondere den vermögenden Haushalten helfen würden, sind offenbar aus Kostengründen vom Tisch. Die Finanzierung der Pläne bleibt das große Problem. An dieser Stelle scheint es momentan das größte Potential für positive Überraschungen zu geben. Auf Capitol Hill sind derzeit Gerüchte zu hören, die besagen, dass Finanzminister Steve Mnuchin fieberhaft an sehr kreativen Lösungen zu basteln scheint. Erfreulich ist in diesem Kontext auch, dass es wohl keine Border Adjustment Tax geben wird.
Das Thema Infrastrukturprogramme dürfte in 2017 wohl nicht mehr angegangen werden. Selbst im Jahr 2018 sind an dieser Stelle kaum „größere“ Lösungen zu erwarten. Folglich bleiben wir bei der Einschätzung, dass die von der Regierung avisierte „Zielwachstumsrate“ von 3,0% von der US-Wirtschaft aus heutiger Perspektive kaum mit größerer Nachhaltigkeit erreichbar sein dürfte.
Fazit: Die Zahlen zum Wirtschaftswachstum in den USA haben in politisch turbulenten Zeiten immerhin nicht nachhaltig negativ überrascht. Die Marktteilnehmer sind mittlerweile offenbar sehr bescheiden geworden. Die Verantwortlichen in Washington stehen nun unter Zugzwang. Den „großen“ Wurf sollte man bei den Reformprojekten eher nicht erwarten, angesichts der vor allem vom Devisenmarkt mit einem Wechselkurs von um 1,17 USD pro EUR eingenommenen pessimistischen Haltung bezüglich der Lage auf Capitol Hill mag es aber schon etwas Raum für positive Überraschungen geben.