Chinesischer Außenhandel: Überraschend stark - Nord LB Kolumne
Heute früh wurden aus dem Reich der Mitte aktuelle Zahlen zum Außenhandel gemeldet. Den offiziellen Angaben der chinesischen Zollbehörden folgend präsentierten sich sowohl die Exporte als auch die Einfuhren durchaus robust. Die in US-Dollar denominierten Importe legten demnach um 14,8% Y/Y zu, was wir isoliert betrachtet als Indikation für eine rege Binnenaktivität auf dem chinesischen Festland ansehen würden. Auf der Ausfuhrseite setzt sich der Erholungstrend der vergangenen Monate zudem fort. In Summe passen die heutigen Angaben sehr gut zu unserer Einschätzung, dass das laufende Jahr mit Blick auf den Außenhandel im Reich der Mitte deutlich besser abschneiden sollte als die mageren Jahre 2015 und 2016.
Beim Blick auf die Details fällt auf, dass die Dynamik bei den Exporten breit aufgestellt ist. Die Ausfuhren in Richtung USA – Chinas derzeit bedeutendster Absatzmarkt – konnten um 11,7% gegenüber dem Vorjahr zulegen. Auch aus der Europäischen Union wurde deutlich mehr nachgefragt – so steht hier ein Plus von 9,7% Y/Y nach 4,0% Y/Y im Vormonat zu Buche.
Der überraschend starke Zuwachs auf der Importseite ist insbesondere auf eine ausgeprägte Dynamik bei den aus den USA nachfragten Waren zurückzuführen. Hier haben die chinesischen Zollbehörden ein Plus von 27,1% Y/Y gemeldet. Den wertmäßig größten Anteil an den Einfuhren hatte auch im Berichtsmonat Mai die Europäische Union. So wurden Waren im Wert von USD 20,2 Mrd. importiert; ein Plus von 10,6% Y/Y.
Den robusten Wachstumstrend auf der Exportseite würden wir als willkommenen Beitrag zur chinesischen Wirtschaftsaktivität bezeichnen. Vor allem vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Abkühlung in einigen Sektoren (so zum Beispiel in der Stahlindustrie) ist hier durchaus von einem stabilisierenden Element zu sprechen. Die Wahrscheinlichkeit eines Handelskrieges – ausgelöst durch eine stärker auf Protektionismus ausgelegte Wirtschaftspolitik in den USA – hat sich zuletzt zudem reduziert. Darüber hinaus bleibt die EU insgesamt auf dem Wachstumspfad. Der Ausblick für Chinas Exporteure ist damit zumindest als freundlich zu bezeichnen.
Insbesondere Rohstofflieferanten konnten zuletzt von der Binnenaktivität in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft profitieren. Die mengenmäßigen Einfuhren von Eisenerz (+67,7% Y/Y), Rohöl (+64,9% Y/Y) und Kohle (+133,0% Y/Y) legten in den ersten fünf Monaten des Jahres sehr stark zu. Allerdings zeichnet sich am aktuellen Rand eine gewisse Abschwächung dieser Dynamik ab, was nicht zuletzt auf die oben genannten Bremsspuren mit Blick auf den volkswirtschaftlichen Expansionsprozess zurückzuführen ist.
Fazit: Der chinesische Außenhandel konnte sich im Berichtsmonat Mai überraschend robust präsentieren. Die Ausfuhren haben von einer hohen Nachfrage unter anderem aus den USA und der EU profitieren können. Insofern dürfte man auch in Peking die Wachstumseffekte einer regen Exportnachfrage begrüßen. Die Binnenaktivität hat zudem den Importen Auftrieb verliehen. Gleichwohl muss hier perspektivisch – auch vor dem Hintergrund eines sich abflachenden Wachstumspfades – mit einer weniger ausgeprägten Dynamik gerechnet werden.