EZB sieht abnehmende Konjunkturrisiken - Commerzbank-Kolumne
Eine Botschaft lag EZB-Chef Mario Draghi bei der gestrigen Pressekonferenz besonders am Herzen. Sie stand als Fazit im Abschnitt zur Konjunkturanalyse: Die Risiken beim Wachstumsausblick seien mittlerweile zwar ausgewogener geworden, doch überwiege – hauptsächlich mit Blick auf globale Einflüsse – nach wie vor die Abwärtsgefahr. Die EZB schätzt offensichtlich den Konjunkturausblick günstiger als bislang ein, vor allem aufgrund der Binnenkonjunktur, die sich u.a. in den verheißungsvollen Stimmungsdaten widerspiegelt. Doch verwies der EZB-Chef auch darauf, dass man hinsichtlich der Inflationsperspektiven noch nicht optimistischer geworden sei. Und deshalb ließ die EZB auch ihre „Forward Guidance“ unverändert, in welcher sie gleichbleibende oder noch niedrigere Leitzinsen in Aussicht stellt. Die Modifizierung des Konjunkturausblicks hat also noch nicht ausgereicht, um die EZB zu einer Adjustierung der „Forward Guidance“ durch den Verzicht auf den Hinweis auf „noch niedrigere Leitzinsen“ zu veranlassen.
Für unseren Geschmack hat die EZB daher zu einer „Minimallösung“ gegriffen und nur das Offensichtlichste in der Konjunkturcharakterisierung eingeräumt. Sie verfolgt damit die Absicht, mögliche Zinserhöhungserwartungen so gut es geht einzuhegen. Wir wären überrascht, wenn ihre verbale Nuancierung der Einstieg in einen baldigen geldpolitischen Kurswechsel sein sollte. Vielmehr gehen wir davon aus, das die EZB mit ihrem von Vertretern der hochverschuldeten Peripherieländer dominierten Rat die aktuelle ultraexpansive Ausrichtung der Geldpolitik möglichst lange beibehalten will. Indiz dafür ist für uns auch der Hinweis Draghis, dass über eine Änderung der „Forward Guidance“ erst gar nicht diskutiert worden sei.
Zinsen und Anleihen
Deutschland: Einzelhandelsumsätze (Mrz.), 8:00 Uhr
Euroraum: Kreditvergabe (Mrz.), 10:00 Uhr
Euroraum: Verbraucherpreise (Apr.), 11:00 Uhr
USA: Bruttoinlandsprodukt (Q1), 14:30 Uhr
USA: Chicago Einkaufsmanagerindex (Apr.), 15:45 Uhr
Die vielen Konjunkturdaten, die gestern veröffentlicht wurden, gaben den Finanzmärkten ebenso wenig neue Impulse, wie die Worte von EZB-Präsident Mario Draghi nach der geldpolitischen Sitzung: Die Renditen von Bundesanleihen gingen nur minimal zurück. Zwar blickt die EZB zuversichtlicher nach vorne, ihre Inflationserwartungen hat sie aber nicht nach oben angepasst. Das ist auch vernünftig, denn nach unseren Berechnungen wird die Inflation im Jahresdurchschnitt 2017 sogar niedriger sein, als die EZB in ihren Projektionen derzeit erwartet. Die gestern veröffentlichten deutschen Preisdaten für April fielen mit einem Anstieg um 2,0% gegenüber Vorjahr zwar höher als erwartet aus, dies ist aber nur ein vorübergehender Anstieg, der vor allem darauf beruht, dass die Osterfesttage dieses Jahr im April lagen. Auch die Preisdaten für den Euroraum, die heute gemeldet werden, werden wohl einen klaren Inflationsanstieg zeigen. Bis zur Jahresmitte dürfte die Teuerungsrate aber wieder Richtung 1% absinken – sofern es nicht zu einem unerwartet starken Lohn- bzw. Energiepreis-anstieg kommt. In den USA enttäuschten die Bestellungen für langlebige Güter. Sie stiegen nur um 0,7% zum Vormonat. Wie im Euroraum bleiben auch in den USA die realwirtschaftlichen Daten bislang hinter den Stimmungsindikatoren zurück. Die Daten zum BIP-Wachstum dürften für das erste Quartal einen annualisierten, realen Zuwachs von 1% zum Vorquartal zeigen. Allerdings war auch in den letzten Jahren das erste Quartal immer ausnehmend schwach. – Die US-Statistiker haben Probleme bei der Saisonbereinigung der Daten eingeräumt.
Aktien
Barclays, Ergebnis Q1
Continental, Q1-Eckdaten und HV
Exxon, Ergebnis Q1
Linde, Ergebnis Q1
Sanofi, Ergebnis Q1
UBS, Ergebnis Q1
Nach den starken Kursavancen, die am Montag auf das Ergebnis des ersten Wahlgangs zur französischen Präsidentenwahl folgten, lassen sich die Anleger an den europäischen Aktienmärkten nur noch schwer bewegen. So kommt der Dax 30 seither kaum mehr vom Fleck. Für wenig Begeisterung sorgten zudem die Eckpunkte zu den Steuerplänen des neuen US-Präsidenten, die weiterhin als zu wenig konkret empfunden werden. Auch der Zinsentscheid der EZB und die geldpolitischen Kommentare bewegten die Indizes kaum. Sehr viel volatiler gestaltete sich angesichts der großen Menge von Quartalsberichten die Kursentwicklung auf Einzeltitelebene. So stiegen die Aktien von Bayer (+4,3%) nach einem angehobenen Jahresausblick deutlich an. Die Titel der Deutschen Börse (+3,9%) profitierten von einem guten Jahresstart und angekündigten Aktienrückkäufen. Am Ende des deutschen Leitindex standen hingegen die Werte der Deutschen Lufthansa (-6%). Hier enttäuschte trotz eines kleinen Gewinns im Auftaktquartal die Entwicklung im Passagiergeschäft. Stark unter Druck gerieten im Euroraum vor allem die Sektoren Grundstoffe (-3,5%), Banken (-1,8%) sowie Energie (-1,7%), während Finanzdienstleister (+1,6%) zulegen konnten. An der Wall Street standen erneut IT-Titel (+0,6%) im Fokus. Während sich die anderen Branchen wenig bewegten, standen Telekommunikation (-1,3%) und Energie (-1,1%) auf der Verliererseite. Nachbörslich berichteten dann noch einige IT-Schwergewichte mit gemischten Ergebnissen. In Asien tendieren die Märkte heute Morgen überwiegend leicht schwächer. Europa wird kaum verändert erwartet.